Die Schrift, die Mitte, der Trost

Stadtstücke

von

»Im Schaufenster einer Buchhandlung lag eine tote Fliege vor den Bestsellern der Saison auf dem Rücken. Sie streckte ihre dünnen Beinchen in die Luft wie winzig kleine Antennen, die sich bei jedem Luftzug neu ausrichteten.«
Mit feiner Ironie lauscht Bastian Schneider den ephemeren Momenten des städtischen Alltags ihre so gar nicht kurzlebige Poesie ab. Unter seinem Blick erweisen sich gerade die Unscheinbarkeiten als unerschöpflicher Steinbruch für
dichterische Einsichten.
Die Kurztexte ergeben dabei eine besondere Route durch europäische Metropolen wie Istanbul, Köln, Marseille, Paris oder Wien, indem sie diese zu verschiedensten »Stücken« verdichten: Frühstücke, Randstücke, Spazierstücke, Singstücke (u.v.w.m.) laden dazu ein, die teils abgründige Schrift urbaner Oberflächen sehen und lesen zu lernen.
Ist man einmal mit einem dahingehend geschärften Sensorium ausgestattet, kann man sich der intimen Verbindung von Worten und Begebenheiten nicht mehr entziehen: Die kleinsten Details erweisen sich als Ausdruck und
Kommentar zu den großen Fragen, die Bezeichnungen der Dinge graben sich tief in die eigenen Beobachtungen ein und rufen bisher stumm gebliebene Korrespondenzen auf den Plan. Auf subtile Weise bilden die »Stadt stücke« so nicht nur hellsichtige Fragmente, sondern eine kleine Schule des Sehens und Sagens: Die Wirklichkeit ist nicht einfach der Fall, sondern entspinnt sich erst im kunstvollen Wechselspiel von Worten und Geschehen – stückweise.