Die Kindheit endet tatsächlich erst dort, wo die Geschichte unserer Eltern zur eigenen Geschichte wird und wir vor ihren wie vor den eigenen Abgründen die Augen nicht mehr verschließen können.
Maria-Maria reist nach Rumänien, um ihren verunglückten Vater zu besuchen und ihn, trotz seiner besitzergreifenden Geliebten, zusammen mit ihnen zu betreuen. In seinen Augen hat sie, die Tochter, die reale Utopie der kommunistischen Gesellschaft verraten. Sie wiederum erkennt in ihm ausschließlich den festgefahrenen Parteirhetoriker, der sich als moralische Instanz aufspielte, anderen Opfer abverlangte, aber selbst ein bigottes Leben führte.
Der neue Roman von Carmen-Francesca Banciu handelt vom Tod eines vermeintlichen Patrioten, für den Vaterland, Partei und der Aufb au einer neuen Gesellschaft stets den wichtigsten Platz in seinem Leben einnahmen und von der Liebe, die man sich von den Eltern erhofft, die einem versagt bleibt, und die man selbst zu geben vielleicht nicht imstande ist. Sie spürt der Frage nach, wie man Abschied von den Eltern nehmen, wie man mit ihren Lebenslügen umgehen kann, und welche persönliche Veränderung man dabei erfährt.
Die versartige Sprache des Romans überträgt die Dramatik der zwischenmenschlichen Beziehungen direkt auf die Leser, die dadurch Teil des Erzählten werden. Banciu beobachtet das Sterben des Vaters, sie horcht und wartet. In der Wiederholung entfalten die Worte ihre Suggestivkraft. Banciu umkreist ihre Figuren, schöpft aus Erinnerungen wie aus einer geteilten Gegenwart. Ein Wort zieht das nächste nach sich. Man erlebt, wie sich Gedanken formen und wie sie wieder in sich zusammenstürzen. Ihr Abgesang auf die ideologische Überhöhung der Familie, der Partei und des Vaterlandes steckt voller Mut und Aktualität.
- Veröffentlicht am Mittwoch 4. Dezember 2024 von PalmArtPress
- ISBN: 9783962580032
- 280 Seiten
- Genre: Belletristik, Erzählende Literatur