Viele Hunde und der Hund

Erzählungen und Gedichte

von

Bella Achmadulina konnte staunen über die Schönheiten und Wahrheiten des Lebens wie ein Kind. Indem sie schreibt, versichert sie sich dieser Wunder, der tröstlichen wie der traurigen, und sie findet Worte – oft alte, aus früherer Zeit überkommene –, um uns teilhaben zu lassen, uns unser Staunen aus Kindheitstagen zurückzugeben. Eine Reihe von Gedichten beschreibt die herbe Schönheit der Küsten- und Seenlandschaft nördlich von Sankt Petersburg. Themen zu behandeln, die den Leser bewegen, wie Freundschaft, Trauer um menschlichen Verlust beim Weggang vertrauter Menschen, Achtung vor der Schöpfung, Verteidigung gewachsenen alten Kulturguts, das im Zuge der Moderne vernichtet wird – das ist Dichtung, die von der Welt Kenntnis nimmt und die sich an die Welt wendet. Dabei setzt die Dichterin sich hohe Maßstäbe, quält sich, sie will die Dinge nicht mit raschen Worten benennen, sie nicht einfach beschreiben: sie will das Geheime, fast Unaussprechliche in ihnen finden. In der Prosa fasziniert besonders die Erzählung Viele Hunde und der Hund. Sie erinnert an einen Schelmenroman, dessen Hauptgestalt Schelaputow ist, der unter rätselhaften Umständen schwachsinnig wurde. Die Dinge aus seiner kindlichen Perspektive zu sehen, erlaubt der Autorin eine naive Erzählweise: schlicht und poetisch. Auch geschichtliche Ereignisse kommen ins Bild: die Vertreibung der Griechen im Osmanischen Reich oder, in der zweiten Erzählung, die Hinopferung von Menschen für Stalins Großbauten. So reiht sich Bella Achmadulina ein unter die großen russischen Dichterinnen des 20. Jahrhunderts: Anna Achmatowa und Marina Zwetajewa. Zu glauben, sie verdiene die dritte in dieser Reihe zu sein, war sie selbst zu bescheiden. Doch sie gehört in diese Tradition.