Evelyn Waugh, 1903 – 1966, gilt als einer der besten Schriftsteller Großbritanniens. Viele seiner Bücher sind Klassiker, weltweit bekannt. Der Verlegersohn veröffentlichte 1928 seinen ersten Roman „Decline and Fall“, der gleich ein Erfolg wurde. 1930 folgte dann „Vile Bodies“, das uns hier in der Übersetzung von der wunderbaren Sylvia de Hollanda, genannt Pociao, vorliegt.
Der junge gutaussehende, aber bedauerlicherweise arme Adam wünscht die gutbetuchte und adelige Nina zu heiraten. Seine Versuche zu Geld und Ansehen zu kommen, um diesen Wunsch in die Tat umzusetzen, nutzt Waugh, um ein Portrait der jungen britischen Upper Class der Zwanziger Jahre zu zeichnen, die den Sinn ihres Lebens darin sieht von Party zu Party und von Skandal zu Skandal zu wandern.
Es gibt eine Tradition englischer Gesellschaftsromane, die mit Humor und Augenzwinkern die Eskapaden der oberen Zehntausend beschreiben. Am bekanntesten ist da sicherlich die Jeeves-Reihe von P.G. Wodehouse. Anders als Wodehouse schreibt Waugh allerdings mit deutlich spitzerer Feder und viel dunklerem Humor. Da bleibt einem bisweilen das Lächeln glatt im Halse stecken, wenn z.B. der abgehalfterte Society-Reporter einen letzten Skandal forciert, um dann den Kopf in den Gasherd zu stecken oder die junge Party-Queen ihre letzte große Party im Irrenhaus feiert.
Was diesen Roman trotzdem so amüsant und auch charmant macht, sind erstens die einfach brillante Schreibweise, die geschliffenen Pointen und hintersinnigen Formulierungen und zweitens die Art, wie Waugh den Lebenshunger einer Generation zeigt, die einen Krieg überlebt hat und den nächsten schon vor den Toren stehen sieht, einer Generation, die alles mitnimmt, was sich an Erlebnissen bietet, atemlos, masslos, sinnenfreudig. Und drittens ist es Waughs Lust an der Überzeichnung seiner Charaktere, die den wunderbar schrulligen Colonel Blount zum Leben erweckt oder die auf dem Vulkan tanzende Miss Runcible, die unbedacht und liebreizend einen Skandal nach dem nächsten auslöst.
Waugh zeigt meisterhaft, was Gesellschaft und Konventionen oder auch das Verleugnen derselben aus eigentlich liebenswürdigen und bisweilen schlicht unbedarften Menschen machen kann, zeigt, wie Societygrößen entstehen und vergehen, zeigt, was Klatsch anrichten kann, aber auch wie man ihn steuern und nutzen kann und hat mit „Lust und Laster“ den „Roaring Twenties“ ein unvergängliches Denkmal geschaffen, einen Roman, der auch nach fast einhundert Jahren nichts an Frische und Spritzigkeit verloren hat.
Ich danke dem Diogenes Verlag herzlich für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar.
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