Leipzig rückt näher und auch dort werden einige Literaturpreise vergeben. Der Wichtigste ist sicher der, der „herausragende deutschsprachige Neuerscheinungen“ ehrt: Der Preis der Leipziger Buchmesse. Der Freistaat Sachsen und die Stadt Leipzig honorieren diese Leistungen in den Kategorien Belletrikstik, Sachbuch und Übersetzung mit insgesamt immerhin 60.000 Euro Preisgeld. Mir scheint, das ist ein Indikator dafür, wie ansehnlich dieser Preis ist. Ein anderer ist der, in dem sich alle Kommentatoren und Kulturkritiker einig sind: Die Nomierten und ihre Romane sind keineswegs Mainstrean. Die Leipziger suchen literarische Stärke, nicht den nächsten Kassenschlager.
Am meisten über den Preis freuen würde sich vielleicht Anja Kampmann, die jüngste der Nominierten, die es mit ihrem Debütroman „Wie hoch die Wasser steigen“ auf die Liste geschafft hat. In ihrem Roman geht es, um die Suche nach der Spur eines geliebten Toten. Dafür begibt sich der Held auf eine rastlose Irrfahrt.
Isabel Fargo Cole, eine Amerikanierin, die in Berlin lebt, hat nach Meinung der Jury mit ihrem ersten Roman, den sie in Deutsch geschrieben hat, ein sprachliches Glanzstück vorgelegt (doppelt bewundernswert, würde ich meinen). „Die grüne Grenze“ ist ein politischer Roman – keinesfalls über die USA sondern die DDR. Cole erzählt über eine DDR-Familie, die sich in den Harz zurückgezogen hat, aber selbst dort nicht von der Politik verschont bleibt.
Esther Kinsky wurde bereits vielfach für ihre Übersetzungen ausgezeichnet und ist jetzt mit „Hain. Geländeroman“ im Rennen. Ihr Gelände ist ein abgelegenes, nicht sehr touristisches Italien. Auch ihre Heldin reist aus Trauer. In diesem Gefühl durchforstet sie das Gelände und die Autorin malt es für sie aus.
Georg Klein, übrigens der Erfahrenste unter den Nominierten, hat den Preis der Leipziger Buchmesse sogar schon einmal bekommen (2010 für „Roman unserer Kindheit“). Er hat es jetzt mit seinem Roman „Miakro“ aus der Sparte Science fiction, Utopie und Fantasy in die Auswahl geschafft.
Außerdem auf der Shortlist steht Matthias Senkel mit seinem Roman „Dunkle Zahlen“. Er wird als „Leipziger Lokalmatador“ betitelt. Ob er deshalb mit seiner Erzählung bessere Chancen hat? Der Klappentext liest sich eher ungewöhnlich: Während der Programmierer-Spartakiade im Moskau des Jahres 1985, auf der die internationale Mathematiker-Elite um Ruhm und Ehre kämpft, verschwindet die kubanische Nationalmannschaft. Das löst – wie in den Romanen von Kampmann und Kinsky – Suchen aus. Worauf die suchende Übersetzerin stößt, darauf darf man gespannt sein.
Sigrid Löffler, die die Shortlist gestern für den Deutschlandfunk kommentiert hat, bringt alle Nominierten auf einen gemeinsamen Nenner, wenn sie meint, dass sie alle von der Fremde und vom Fremdsein erzählen, eigene fremde Welten und ganz eigene sprachliche Welten erfinden.
Ob es damit am Ende doch der eine oder andere Nominierte auf eine Bestsellerliste schafft? Wir können ja mal buchshoppen gehen…
Am 15. März 2018 um 16.00 Uhr wird der Preis in der Glashalle in Leipzig vergeben – wie man liest, ein Highlight der Messe.
Nominierte in der Kategorie Belletristik
- Anja Kampmann: „Wie hoch die Wasser steigen“ (Carl Hanser Verlag)
- Isabel Fargo Cole: „Die grüne Grenze“ (Edition Nautilus)
- Esther Kinsky: „Hain. Geländeroman“ (Suhrkamp)
- Georg Klein: „Miakro“ (Rowohlt):
- Matthias Senkel: „Dunkle Zahlen“ (Matthes & Seitz).
Nominierte in der Kategorie Sachbuch/Essayistik
- Martin Geck: „Beethoven. Der Schöpfer und sein Universum“ (Siedler Verlag)
- Gerd Koenen: „Die Farbe Rot. Ursprünge und Geschichte des Kommunismus“ (C. H. Beck)
- Andreas Reckwitz: „Die Gesellschaft der Singularitäten. Zum Strukturwandel der Moderne“ (Suhrkamp)
- Bernd Roeck: „Der Morgen der Welt. Geschichte der Renaissance“ (Historische Bibliothek der Gerda Henkel Stiftung, C. H. Beck)
- Karl Schlögel: „Das sowjetische Jahrhundert. Archäologie einer untergegangenen Welt“ (Edition der Carl Friedrich von Siemens Stiftung, C. H. Beck)
Nominierte in der Kategorie Übersetzung
- Robin Detje: übersetzte aus dem Amerikanischen „Buch der Zahlen“ von Joshua Cohen (Schöffling
- Olga Radetzkaja: übersetzte aus dem Russischen „Sentimentale Reise“ von Viktor Schklowskij (Die Andere Bibliothek)
- Sabine Stöhr und Juri Durkot: übersetzten aus dem Ukrainischen „Internat“ von Serhij Zhadan (Suhrkamp)
- Michael Walter: übersetzte aus dem Englischen die „Werksausgabe“ in drei Bänden von Laurence Sterne (Galiani)
- Ernest Wichner: übersetzte aus dem Rumänischen „Oxenberg und Bernstein“ von Catalin Mihuleac (Paul Zsolnay Verlag)