„Und da sah sie es. Es sah aus wie ein bunt schillerndes Seidenkissen. Erst beim zweiten Hinschauen bemerkte Annabel, dass es sich sachte hob und senkte. Es atmete! Ein Lebewesen! Jetzt fiel Annabel alles wieder ein. ,Malinda‘, flüsterte sie.
Und das Regenbogenkuscheltier spitzte die feinen Öhrchen und fiebste leise im Schlaf.“
Doch bis Annabel ihr Regenbogenkuscheltier heimlich beim Schlafen beobachten kann, ist es noch ein langer Weg.
Annabel ist ein beinahe siebenjähriges Mädchen und ein wenig traurig, denn es ist alles ganz anders geworden. Sie hat eine kleine
Schwester bekommen, die, so scheint es ihr zumindest, alle Aufmerksamkeit der Eltern bekommt. Und eine kleine Katze darf sie sich auch nicht als Haustier halten. Doch zum Glück gibt es ja Ma, ihren Sonnenstrahl.
Endlich wieder ein Kinderbuch, in der die Kunst des Erzählens herrscht,
Handlung, die sich aus Dialogen entwickelt, eine kindgerechte Sprache, die niemals der Gefahr einer Verkindlichung unterliegt, Illustrationen, die nicht nur der Phantasie der Kinder genügend Platz lassen. Dazu eine Geschichte, deren Originalität Kinder und Erwachsene gleichermaßen zum Lesen animiert. Ein Regenbogenkuscheltier, das aus den Tränenperlen einer Wolke entsteht, wer wünscht es sich nicht, zumal wenn es durch den Sonnenstrahl Ma herbeigeführt wurde. Der Bremer Autorin Birgid Hanke ist mit dieser Erzählung ein Kinderbuch gelungen, das als Vorlese und Lesebuch sicherlich rasch die Herzen von Kinder
und Erwachsene erobern wird. Da bedarf es keiner langatmigen Personenbeschreibung, die Gefühle eines jedes Kindes (und auch aller Erwachsenen, die ihre Kindheit noch nicht vergessen haben) gleiten in den Charakter der Annabel, der kindlichen Protagonistin. Ihre Enttäuschungen, ihre Sehnsüchte, sie scheinen unsere zu sein. „Am liebsten wäre sie wieder ein ganz
kleines Mädchen, das nur in den Kindergarten ging, wo man nicht immer so pünktlich sein müsste. Oder noch viel lieber ein kleines Baby, so wie ihre kleine Schwester.“
Jegliche Formen der Pädagogisierung und eines moralischen Zeigefingers unterbleiben, obwohl die Thematik der kindlichen Sehnsucht nach Geborgenheit an jeder Stelle dazu Gelegenheit geben würde. Hier versteht sich eine Autorin auf die psychische Verfasstheit von Kindern, weiß um die Problematik, entwickelt
daraus Erzählhandlung und keine vordergründige Problematisierung. „Es war genauso und doch ganz anders. Aber es war wunderschön. Annabel hatte das Gefühl, ganz rief zu fallen und gleichzeitig zu schweben.“ Kind wird in diesem Buch ernst genommen, soll man ein größeres Kompliment aussprechen. Kindliche Sehnsucht nach Geborgenheit konkretisiert sich zwar in einem Regenbogenkuscheltier, doch selbst hier unterliegen Autorin und auch Grafikerin nicht der Gefahr einer völligen Materialisierung kindlicher Träume. Das Regenbogenkuscheltier bleibt offen, tritt deutlich hinter das Kind und seinen Gefühlen zurück. Angesichts herrschender Trends konkreter Phantasie muss ein solches Gestaltungsmoment besonders hervorgehoben werden.
- Veröffentlicht am Mittwoch 1. Januar 2003 von Geest-Verlag
- ISBN: 9783936389593
- 80 Seiten
- Genre: Erstlesealter, Kinder- und Jugendbücher, Vorschulalter