Ihr beginnt diese Momente des Schweigens während unserer Zusammentreffen immer höher zu schätzen, nicht wahr? Es reicht aber noch nicht aus: Unser Schweigen muss lebendig werden, indem wir es mit Licht und Liebe durchdringen. Denn es gibt verschiedene Arten von Schweigen, manchmal sind sie unheimlich. Den Unterschied sollte man spüren.
Kommt ihr jedes Mal zu unseren Zusammentreffen von solcher Liebe und Freude beseelt, um endlich eine spirituelle Arbeit durchzuführen, dann werdet ihr eines Tages spüren, wie diese hier von uns geschaffene Stimmung die Engel heranziehen kann. Ja, die Engel werden uns aufsuchen, und Düfte, Musik und Farben überall verbreiten… Dann werdet ihr nicht mehr so ungeduldig warten, bis ich dieses Schweigen breche, um zu euch zu sprechen. Was sind denn Worte im Vergleich zu solchen Momenten der Stille?
Die Sprache ist sehr beschränkt. Der größte Teil des Vokabulars ist von mittelmäßigen Menschen zu mittelmäßigen Bedürfnissen zusammengeschmiedet worden. Es gibt wohl einige Wörter, ein paar Ausdrücke für die Philosophen und Mystiker, aber wirklich sehr wenige.Um die himmlischen Realitäten, die himmlischen Empfindungen zum Ausdruck zu bringen, schweigt man sehr oft. Man drückt sich nur durch einen Blick, durch eine Geste oder sogar nur durch Schweigen aus.
Ihr werdet sagen: »Hat denn das Wort solch beschränkte Wirksamkeit?« Nein. Ist es dem Wort gelungen, sich mit dem göttlichen Wort zu vereinigen, d.h. ist das Wort lebendig und vom Leben des Geistes geprägt, dann ist seine Macht ebenso groß wie die des Schweigens. Das göttliche Wort gehört zum Bereich des Geistes. Das göttliche Wort, das ist die Denkkraft. Schon beim Denken wird man zum Schöpfer, und löst kreative Kräfte aus. Auf diese Weise hat das göttliche Wort das Universum erschaffen und modelliert.
Das göttliche Wort ist ein Wort, das die physische Ebene noch nicht erreicht hat: es ist da, real und lebendig, aber ohne Ausdrucksform. Im Moment, wo ihr denkt, sprecht ihr sozusagen schon, und dieses noch nicht ausgesprochene Wort wirkt sich magisch aus, das ist das göttliche Wort. Sobald dieses sich auf die physische Ebene herablässt und zum Wort wird, verliert es an Wirksamkeit, denn Gott allein weiß, ob ihr euch gut ausdrückt, ob die anderen euch richtig verstehen!
Ihr denkt, bevor ihr sprecht: Das ist das göttliche Wort. Dann wählt ihr eure Worte aus: Das ist das Wort. Auf dem Gebiet des Wortes werden euch nicht alle verstehen, sondern nur diejenigen, die dieselbe Sprache sprechen wie ihr. Auf dem Gebiet der Gedanken, der Denkkraft hingegen wird euch die gesamte Natur verstehen, weil ihr euch dann der universellen Sprache bedient, die für alle gleich ist. Auch wenn er nicht dieselbe Sprache spricht, wird ein sensibler, rezeptiver Mensch verstehen und spüren, was ihr denkt. Es gibt hochentwickelte, höchstempfindliche Menschen, die einen Gedanken im Moment seiner Formulierung auffangen können. Die lichtvollen Geister, die Engel sprechen übrigens nicht miteinander. Zu uns sprechen sie auch nicht: Sie denken nur, und wir fangen ihre Gedanken wie ein Wort auf.
Das göttliche Wort ist die unmittelbare Ausstrahlung (Emanation) eures inneren Lebens. In der unsichtbaren Welt wird es durch Farben, Formen und Töne offenbar, die jedem verständlich sind. Das WORT hingegen drückt sich auf der physischen Ebene durch Wörter aus, die zu einer besonderen Sprache gehören, es kann also nur von euren Landsleuten begriffen werden. Daher tauchen zahlreiche Schwierigkeiten auf!
Sprecht ihr aber innerlich aus ganzem Herzen, aus der Tiefe eurer Seele, dann werden euch sogar Pflanzen, Vögel und Insekten, Planeten und Sterne verstehen, denn die Sprache des Herzens und der Seele ist eine universelle Sprache, die der gesamten Natur vertraut ist.
Das göttliche Wort ist die universelle Sprache. Mit dem Wort tauchen aber immer wieder Missverständnisse auf. Man trifft die richtigen Worte nicht, um sich richtig auszudrücken, und es mag auch vorkommen, dass man sich sogar über sich selber nicht genug im Klaren ist, um zu wissen, was gesagt werden sollte. In Wirklichkeit vermag das Wort ebenso voller Leben und machtvoll werden wie das göttliche Wort, aber unter einer Voraussetzung: Das Wort muss sich vom göttlichen Wort durch und durch prägen lassen, und genau das ausdrücken, was Seele und Geist eben erleben. Deswegen wird einmal der Tag kommen, an dem die Menschen nicht mehr durch Worte miteinander sprechen, sondern durch Licht, Farben und Töne, die sie selbst ausstrahlen. Dann werden sie einander gleich verstehen. Wenn ein Mensch neben euch leidet, spürt ihr sein Leid, ohne dass er darüber spricht. Ihr spürt es auch, wenn er überglücklich ist. Leid und Freude sind eine Sprache, die man gleich wahrnimmt. Dazu braucht man keine Worte, denn diese Sprache täuscht nicht.
Das WORT ist die Synthese aller Ausdrucksformen des menschlichen Lebens, die Synthese aller Emanationen, die seine Gedanken und Gefühle hervorbringen. In dieser Hinsicht kann man wohl sagen, das WORT widersetze sich oft dem Wort. Ein Mann hasst z.B. seinen Nachbarn, er verstellt sich – um dessen Misstrauen zu betören –, als wäre er sein Freund, während er nur daran denkt, ihn zunichte zu machen… Und der arme Unglückliche geht in die Falle. Wie oft wird das Wort – statt eine treue Spiegelung der Realität zu sein – ausschließlich dazu benutzt, um in anderen Menschen gewisse Reaktionen zu erwecken, wie z.B. Misstrauen, Hass, Empörung, oder andersartige Gefühle zu schüren, die der Sprecher zu seinen Gunsten hervorzurufen versucht.
Eine Frau sucht einen Psychiater auf: »Herr Doktor, sagt sie, ich glaube, etwas ist mit mir nicht mehr ganz in Ordnung: seit einiger Zeit kommt es oft vor, dass ich beim Gespräch mit Freunden mein Gewicht und mein Alter verrate.« Ja, oft wird die Aussage der Wahrheit nicht als normal empfunden. Die Norm besteht darin, Geschichten zu erzählen, sich als etwas Besseres, als was man eigentlich ist – und die anderen natürlich als etwas Schlechteres – hinzustellen. Gebt also acht auf das Wort. Selbstverständlich kann man auch sagen, auf diese Weise behalte das Wort meistens seine magische Rolle weiter, d.h. die Veränderung der Realität. Das Wort sollte sie aber nicht in diesem Sinne verändern.
Nun will ich nicht damit sagen, dass das Wort kein wirksames Mittel wäre. Doch zuerst werden die Dinge oben durch die Denkkraft gestaltet, dann werden sie gemäß bestimmter Kraftlinien, denen sich die Partikel der Materie unterordnen, durch das Wort konkretisiert. Deshalb ist das Wort auf der physischen Ebene zur Verwirklichung eurer Wünsche unerlässlich. Ja, damit sich aber eure Gedanken und Wünsche durch das Wort realisieren, müsst ihr vorher ein bestimmtes Gesetz kennen. Greifen wir ein Bild auf: Das Wort stellt, wenn ihr wollt, den Schaft eines Gewehrs dar, der Gedanke oder der Wunsch ist das Schießpulver. Gebt ihr aber nicht das Pulver in den Schaft hinein, dann könnt ihr visieren und noch so oft den Abzug drücken, es geschieht nichts. Wenn das Gewehr keinen Schaft hat, könnt ihr die Kugel nicht lenken. Der Schaft gibt die Richtung und das Pulver die Kraft. Zuallererst muss man also mächtige, sehnliche Gedanken und Wünsche in sich hegen und ihnen dann durch das Wort eine Orientierung in diese oder jene Richtung geben. Viele, die etwas von der Macht des Wortes erfahren haben plappern schläfrig und teilnahmslos so ein paar Worte vor sich hin und bilden sich dabei ein, sie werden etwas zustande bringen. Aber nein, niemals!
Der Geist muss immer präsent und wachsam sein, so werdet ihr die Dinge besser verstehen und sie auch besser zum Ausdruck bringen können, und was ihr sagt, wird als etwas Lebendiges empfunden werden. Viele sprechen sogar unter den Spiritualisten, als trügen sie auswendig gelernte Sätze vor, die auf keinem wirklichen Gedanken, keinem wahrhaftigen Gefühl beruhen. Und noch dazu bilden sie sich ein, sie seien die Interpreten und Boten des Herrn. Der Herr soll ihnen dieses und jenes gesagt haben… Und es folgt dann endloses, langwieriges Gerede! Als ahmte der Herr die Menschen in ihrem langweiligen Geschwätz nach… Wenn der Herr zu uns spricht, tut Er es sehr kurz. Sein Wort ist derart zusammengefasst und blitzartig, dass wir dessen Inhalt in unserem ganzen Leben nicht voll auszuschöpfen vermögen.
Ihr könnt sprechen und beten soviel ihr wollt. Wenn ihr es nicht voller Liebe und Überzeugung tut, werden eure Worte neben euch zu Boden sinken und keine Reichweite haben. Psychische Energie und Wort sind beide notwendig. Aber passt auf, wenn ihr zu viel Schießpulver anhäuft, kann es an Ort und Stelle explodieren und euch verbrennen. Ihr begreift nicht was ich meine? Es ist doch sehr einfach: Beim Beten und Meditieren werden Energien auf der Astral‑ und Mentalebene angesammelt, es ist ratsam, diesen Energien einen Ausgang zu verschaffen. Tut man das nicht, kann es zu allerlei Störungen kommen.Es gibt zu viele gestaute Kräfte, zu hohe Spannungen. Das Wort eben ist ein Mittel, das jenen Kräften die Möglichkeit gibt, sich einzuhüllen, sich zu manifestieren und zu handeln. Wenn die gespeicherte psychische Energie nicht hinausprojiziert werden kann, wird sie an Ort und Stelle explodieren und ihr selbst seid das Opfer. Diese Energie müsst ihr folglich nach außen projizieren, ihr ein bestimmtes Ziel geben; dazu kann das Wort dienen.
Der Schüler muss durch seine Gedanken eine Verbindung mit allen lichtvollen Wesenheiten der unsichtbaren Welt anstreben, um sie anzurufen und in seine Nähe anzuziehen. Dann vermag er einige Formeln laut auszusprechen, wie z.B.: »Dein Wille geschehe im Himmel wie auch auf Erden.« Seinem Gebet wird dann nichts fehlen.
Die Kenntnis dieser Gesetze kann euch eine große Hilfe sein, und nicht bloß auf der Ebene des spirituellen Lebens. Denn dieselben Gesetze regieren auch die Beziehungen zwischen Männern und Frauen, aber sehr wenige sind sich dessen bewusst. Sie küssen und schlafen miteinander ohne Poesie, ohne erhabene Wünsche, ohne sublime Gedanken. Deswegen sind die Ergebnisse nicht besonders hervorragend. Zuerst hätten sie das »Pulver« vorbereiten sollen, diese Liebe, diese Zärtlichkeit, diese Poesie zur Entfaltung bringen, damit der Himmel zu ihnen herabsteige, und erst dann sollten sie diese Liebe auf der physischen Ebene erleben. Aber nein! Sie haben es eilig.
Wenn ein Eingeweihter in der Stille meditiert, lädt er sich wieder auf und sammelt Kräfte. Aus diesem Grunde spürt man, wenn er zu sprechen beginnt, eine solche lebendige Fülle in seinen Worten. Bevor man spricht, sollte man seine Worte mit Liebe, mit göttlicher Kraft erfüllen. Denn der Ursprung, die Urquelle aller Dinge, die wahrhaftige Macht, das ist das göttliche Wort. Das Wort kommt an zweiter Stelle. Zuerst denkt und fühlt ihr, das ist das WORT. Dann sucht ihr die angemessene Form, um euer WORT einzuhüllen. Diese Form ist das Wort, die Wörter, die ihr in einer bestimmten Sprache aussucht und jene Sprache könnt ihr mehr oder weniger gut gebrauchen. Dagegen findet das WORT gleich eine passende Ausdrucksform, die alle Kreaturen, sogar die Engel und Erzengel, begreifen können.
Wenn auch ihr euch nur auf meine Worte auf der physischen Ebene verlasst, dann ist das – offen gestanden – wirklich sehr wenig, und sogar wirkungslos, umso mehr als ich vielleicht eines Tages weggehen muss und lange abwesend bleiben muss, ohne zu euch zu sprechen. Durch das WORT hingegen spreche ich unentwegt zu euch. Ja freilich, wenn ich allein bei mir zu Hause bin, im Gebirge oder auf Reisen, spreche ich ständig zu euch. Wenn ihr nichts mitbekommt, dann nur, weil ihr glaubt, dass das physische Wort einzig und allein zählt. Deswegen solltet ihr damit anfangen, euch zu trainieren, hier, wenn wir alle beisamen sind: Statt ungeduldig zu werden, weil das Schweigen euch zuweilen zu lange dauert, solltet ihr lernen, eure Antennen zu entwickeln und spüren, dass euer Meister an euch, an eure Zukunft denkt. Versucht doch zu erraten, was er für euch vorbereitet, wo er euch hinführen will… Denn es gibt ja Dinge, die er nicht auf der physischen Ebene formulieren kann. Er hat nicht einmal das Recht dazu, denn seine Worte würden von manchen entweiht werden. Deshalb sendet er sie in die unsichtbare Welt aus, wo die sensiblen Menschen sie wahrnehmen können.
Es mag sogar vorkommen, dass ich euch auch von Zeit zu Zeit bestimmte Dinge vorsinge… Auf der physischen Ebene bin ich mit kein besonderer Stimme ausgestattet, aber in der unsichtbaren Welt weiß ich, dass ich singen kann. Als ich übrigens noch sehr jung war, ging ich mit anderen jungen Brüdern ins Gebirge. Wir schlugen unsere Zelte auf dem Berg von Rila auf und schliefen in Hütten. Manchmal erzählten mir die Brüder am Morgen, ich hätte im Schlaf gesungen! Es wären Lieder gewesen, deren Worte unbegreiflich waren, und klangen, als stammten sie aus sehr alten Zeiten. Ich sang sie mit einer ganz anderen Stimme, die stark erklang und sie tief beeindruckte. Ich konnte mich niemals daran erinnern, dass ich in der Nacht irgendetwas gesungen hätte, so habe ich nie erfahren, was es war. Vielleicht singe ich noch jetzt in der Nacht, es ist aber niemand da, der mir zuhören könnte.
Es steht geschrieben: : »Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist«. Gott hat alles durch das WORT geschaffen, ja, durch das göttliche Wort, nicht durch das Wort, denn für das Wort ist Luft notwendig, und im Anfang gab es ja keine Luft, Gott hatte sie noch nicht geschaffen.
Der heilige Johannes hat sein Evangelium auf griechisch geschrieben und das Wort »Logos« gebraucht, ein Wort, das auch Intelligenz bedeutet. Also bedeutet Logos nicht das gesprochene Wort. Das Wort ist eine Ausdrucksform, eine Manifestation des Gedankengangs, es hat also seinen Ursprung im Logos. Das WORT ist die Ursache, und das gesprochene Wort deren mehr oder weniger gelungene Wirkung!
Das gesprochene Wort auf der physischen Ebene ist eine Manifestation des göttlichen Wortes. Das göttliche Wort selbst ist der Entwurf einer Manifestation. Man kann es also als einen Willensakt definieren, der dann in Form von Worten, Blicken oder Gesten offenbar wird, denn genau wie das gesprochene Wort sind Blick und Geste eine Sprache.
Auf der physischen Ebene ist das gesprochene Wort unerlässlich: Da es eine Widerspiegelung des göttlichen Wortes ist, ruft es auch eine Wirkung hervor. Zum Handeln erwartet man – auf welchem Gebiet es auch sein mag – nur ein Wort, und wird dieses Wort einmal ausgesprochen, dann löst es etwas aus: jemand wird geköpft oder begnadigt, eine Armee stürmt gegen den Feind an oder Feindseligkeiten werden eingestellt, einem Mitarbeiter wird eine hohe Stelle anvertraut oder entzogen… Das gesprochene Wort ist sehr mächtig, sei es für das Gute oder das Böse, denn es ist eine Ausdrucksform des WORTS. Jemand kann durch eine schlechte Nachricht sterben. Wer vermag die Macht des WORTS zu leugnen? Das Problem ist nur, dass das Wort verlogen sein kann, das göttliche Wort aber nie.
Eines Tages kam ein Nachbar zu Nastradine Hodja, er wollte sich seinen Esel ausborgen. »Unmöglich«, sagte Nastradine Hodja, »ich habe ihn schon verliehen.« Da fing gerade der Esel im Stall zu iahen an. »Ach, sagte der Nachbar, du hast mich belogen; deinen Esel hast du gar nicht verborgt, er steht ja noch im Stall!« – »Wieso«, antwortete Nastradine Hodja empört, »bezweifelst Du jetzt meine Worte und glaubst eher meinem Esel?« So beurteilte Nastradine Hodja die Dinge!
- Veröffentlicht am Montag 1. Juni 1998 von Prosveta Deutschland
- ISBN: 9783895150340
- 64 Seiten
- Genre: Esoterik, Sachbücher