Religiöse Devianz in christlich geprägten Gesellschaften

Vom hohen Mittelalter bis zur Frühaufklärung

In diesem Buch werden religiöse Personen und Gruppen thematisiert, die zu ihrer Zeit und bis heute keinen Platz in ihrer Kirche gefunden haben. In diesem Sinn sind diese nebenkirchlichen Gestalten und Bewegungen deviant, d. h. von der damals je herrschenden Religionsausübung abweichend. In christlich geprägten Gesellschaften bedeutete dies oft auch eine gesellschaftliche Marginalisierung.
Die untersuchten Vorgänge entstammen unterschiedlichen Zeiten und Kontexten vom hohen Mitteltalter bis zur Frühaufklärung: Katharerinnen, Hexen und Heilige, Anhänger der radikalen Reformation, innerprotestantische Dissidenten am Vorabend von Pietismus und Aufklärung. Über weite Strecken widmet sich die Abhandlung religiös abweichenden Frauen, so dass der Band auch für die Frauenforschung besonders interessant ist.
Ausser den Bemühungen um historische Einblicke in Brennpunkte der Geschichte religiöser Dissidenten, ist allen Beiträgen das Interesse an Phänomenen religiöser Abweichung eigen. Deshalb steht zu Beginn kein historischer, sondern ein soziologisch-systematischer Beitrag über Aussenseiter und Grenzgänger unserer Gesellschaft. Darin wird eine devianzsoziologische Theorie entfaltet, mit der dann die historischen Beiträge vergleichend analysiert werden. Auf diesem Weg wird zum ersten Mal in der Dissidentismusforschung eine Phänomenologie religiöser Devianz erarbeitet, die sowohl historisch konkretisiert als auch systematisch-theoretisch profiliert ist.
Aus dem Inhalt:
Wolfgang Lipp (Würzburg): Aussenseiter, Häretiker, Revolutionäre – Gesichtspunkte zur systematischen Analyse; Daniela Müller (Würzburg): Gott und seine zwei Frauen. Katharismus – eine Frauenreligion?; Peter Dinzelbacher (Salzburg): Echte und falsche Mystik aus historischer Sicht; Dieter Fauth (Heidelberg): Träume bei religiösen Dissidenten in der frühen Reformation; Ulrich Bubenheimer (Heidelberg): Rezeption und Produktion nonkonformer Literatur in einem protestantischen Dissidentenkreis des 17. Jahrhunderts; Dieter Fauth – Daniela Müller: Phänomene religiöser Devianz.