Die Schule macht gesund

Die Anfänge des schulärztlichen Dienstes in der Stadt Zürich und die Macht hygienischer Wissensdispositive in der Volksschule 1860–1900

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Wer erinnert sich nicht an die ärztlichen Reihenuntersuchungen in der Schule, den Seh- und Hörtest oder den etwas beschämenden Blick in die Unterhose? Dieses Buch geht den Anfängen der heute selbstverständlich gewordenen schulärztlichen Praxis nach und zeigt, wie der schulärztliche Dienst in der Stadt Zürich entstanden ist.
Die Geschichte der Schulärzte steht exemplarisch für die zunehmende ‚Verwissenschaftlichung‘ der kommunalen Verwaltung gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Zugleich ist sie die Geschichte der Produktion gesunder Körper durch schulische, fürsorgerische und medizinische Instanzen. Das Ziel der schulhygienischen und ärztlichen Interventionen bestand ursprünglich darin, gesundheitliche Gefahren, denen die Kinder durch den jahrelangen Schulbesuch ausgesetzt waren, zu beseitigen. Waren es zunächst bauliche Massnahmen wie das Einrichten von Schulduschen, die dieses Ziel näher rücken liessen, so verlagerte sich das Augenmerk der Ärzte und Hygieniker bald vom Schulhaus auf die Schülerinnen und Schüler selbst. Anlässlich der Eintrittsuntersuchungen entschied der Schularzt massgeblich mit, wer in eine Spezialklasse oder in ein Heim überwechseln sollte. Er schickte ’schwächliche‘ Kinder zur Erholung ‚auf den Schwäbrig‘ oder verschaffte sich mit seinen Hausbesuchen ein Bild über die ‚Wohnungsverhältnisse‘ seiner Klientel.
So mutierte die Schulhygiene in der schulärztlichen Praxis zur Schülerhygiene, zur normalisierenden Instanz, welche neben dem Körper der Schulkinder ebenso deren intellektuelle Fähigkeiten und soziale Verhältnisse fokussierte.