Die früheren absonderlichen und seltsamen Gebräuche, mit denen man Krankheiten abzuwenden oder zu heilen vermeinte, erscheinen uns heute auf den ersten Blick als eine unverständliche Ausgeburt sinnlosen Aberglaubens. Aber vieles von dem, was uns heutzutage vernunftlos und widersinnig vorkommt, wird verständlich und zeigt sich als Überrest eines logischen und wohldurchdachten Vorgehens, wenn wir uns vergegenwärtigen, welche Anschauung unsere Urahnen von den Ursachen der Krankheiten hatten, als sie sich dieser Heilmethoden bedienten. Aus diesen alten Zeiten haben sich diese, wenn auch nur verstümmelt und durch Überlieferung verunstaltet, bis auf den heutigen Tag erhalten.
Weiterhin ist wichtig, welche Reste dieser ursprünglichen Vorstellung von den Krankheitsursachen noch heute im Volk zu finden sind. Wir wissen ja, dass der primitive Mensch den normalen Verlauf der Vorgänge im Körper nicht kannte, – also muss ihm auch unbekannt sein, dass sich Krankheiten aus Störungen der normalen physiologischen Funktionen des menschlichen Organismus herausbilden. Er kann also nicht auf den Gedanken kommen, dass die auslösenden Momente der in seinem Inneren tobenden Krankheit in ihm selbst entstehen und deshalb nahm er an, dass diese von außen in ihn hereinkommen.
Dafür hat der Mensch verschiedene Erklärungen entwickelt: Entweder ist ein übersinnliches, unsichtbares Wesen, ein für jede Krankheit besonderer Dämon, in ihn gefahren, oder sie ist das Werk irgendeines ihm feindlich gesinnten, zauberkundigen Bösewichtes, oder aber die Krankheit ist eine von einer Gottheit gesandte Strafe.
Bei einer solchen Auffassung von den Krankheitsursachen ist der Weg klar vorgezeichnet, den die Behandlung einzuschlagen hat. Übernatürlich wie die Ursachen der Krankheit müssen die Maßnahmen sein, die zu ihrer Beseitigung getroffen werden. Nur durch Gegenzauber kann das angezauberte Übel behoben werden.
Deshalb versuchte man durch Gebete und Weihegaben, Gott zu bestimmen, die Strafe wieder zurückzunehmen, die Krankheit zu heilen. Beschwörungen, Austreibungen, beschwichtigende Opfer, Gebete und Zauberhandlungen – diese verschiedenartigsten Mittel bringt daher der Mensch von jeher in Anwendung, um Krankheit von sich und den Seinen abzuwenden.
Sind heutzutage von der ursprünglichen Auffassung nur noch Überreste im Volk erhalten, so haben sich die Mittel, die man auf Grund dieser Vorstellungen anwandte, aber zum großen Teil erhalten.
Noch heutzutage, – in der Gegenwart – gebraucht man diese zauberischen und abergläubischen Heilmittel selbst oder wendet sich zuversichtlich Hilfe erwartend an „kluge“ Frauen und „weise“ Männer, denen sie bekannt sind. Oft ohne sich dieser Ursprünge bewusst zu sein, werden diese auch heute noch durch die Generationen weitergetragen. Insbesondere auch deshalb, weil man nicht erst heutzutage erkannt hat, dass viele dieser traditionellen „Mittelchen“ und „Zaubersprüche“ auch dem heutigen Menschen helfen.
- Veröffentlicht am Sonntag 15. Mai 2005 von Bohmeier, J
- ISBN: 9783890944364
- 136 Seiten
- Genre: Grenzwissenschaften, Parapsychologie, Sachbücher