Wenn wir auf unser Inneres Acht haben, da tönt oft eine innere, vernehmlich unbekannte Stimme in unser Leben hinein, die uns hier lobt, dort tadelt, zu dem treibt, vom jenem zurückhält. Die Stimme geht nicht hervor aus dem mit Bewusstsein Gedachten, sie lässt sich nicht verdrängen durch den Verstand.
Ja, sie wird oft so lebhaft, dass in unserem Geist ein stummes Zwiegespräch entsteht, hervorgegangen aus einer inneren Teilung, welche nach Verständigung und zur erneuten Vereinigung strebt.
Auch im Vergleich mit dem Traumleben begegnen wir einem Doppelleben. Denn während der Geist sich am Tag in den reglementierten Formen des Verstandes bewegt, entfaltet er im Traum unbekannte Schwingen, schwebt dahin über Zeit und Raum und zeigt eine Tätigkeit, die sich dem Bewusstsein entzieht, und ein eigentümliches Gedächtnis.
So bekannt diese Erscheinungen, so unerklärbar waren sie doch, denn es blieb ein stets ungelöstes Problem, wie der als einfach gedachte Geist ein solches Doppelleben führen könne.
Aber was ist denn der Geist anderes, als eine Kraft? Er kann also nach keinen anderen Gesetzen wirken, als jede andere Kraft; er muss, trotz in seiner Einfachheit, polar tätig sein. Viele Erscheinungen, welche uns bisher als unlösbare Rätsel entgegentraten, stellen sich als notwendige Folgerungen heraus, wenn wir die Polarität des Geistes in ihrer Tätigkeit verfolgen.
Und so wie die Tagseite des Lebens ihre Sinnesorgane hat, durch welche das unendliche Universum hineintritt in das individuelle organische Leben, so schickt auch die Nachtseite ihre Fühler hinaus in das Universum, und der Kosmos tritt in der Nacht dem Individuum mit seinem Innern geheimen Wirken und Walten näher.
- Veröffentlicht am Donnerstag 1. Mai 2008 von Bohmeier, J
- ISBN: 9783890945613
- 272 Seiten
- Genre: Anthroposophie, Esoterik, Psychologie, Sachbücher, Sonstiges, Spiritualität