Tanz der Gene

Von Zwittern, Zwergen und Zyklopen

von

„Was ist normal? Und wer ist abnorm? – Wir alle sind abnorm. Aber einige von uns sind es mehr als andere.“

Dieses Buch handelt – in den Worten seines Autors – „von der Entstehung und Entwicklung des menschlichen Körpers. Es berichtet von den Vorgängen, die es einer einzelnen Zelle in einem versteckten Winkel der Gebärmutter erlauben, sich in einen Embryo, einen Fetus, ein Kind und schließlich einen Erwachsenen zu verwandeln. Es gibt eine vorläufige und unvollständige, aber klar umrissene Antwort auf die Frage: Wie werden wir, was wir sind?“

Die Grundgestalt unserer Körpers und seine Entstehung nehmen wir gewöhnlich als gegeben hin. Doch bei näherem Hinsehen wird vieles rätselhaft: Wie entwickeln sich eigentlich Gliedmaßen? Wieso haben wir fünf Finger (und nicht vier oder sechs)? Was bestimmt unsere Größe? Unser Geschlecht? Warum altern wir? Man sagt, das menschliche Genom mache uns zu dem, was wir sind. Aber wie?

Es mag zunächst absurd erscheinen, sich der Normalität, ja der Perfektion, über das Abnorme nähern zu wollen. Und doch stammt vieles, was wir über die Mechanismen von Entwicklung, Wachstum und Altern des Menschen wissen, aus Untersuchungen an Individuen, die unter angeborenen, meist genetisch bedingten Krankheiten leiden. Und erblich bedingte Anomalien haben ihre Ursachen nicht nur in Fehlern, die im Mutterleib zustande kommen, sondern auch in unserer evolutionären Geschichte.

In seinem brillanten Buch Tanz der Gene berichtet Armand Marie Leroi über unsere „genetische Grammatik“ – und über jene Menschen, deren „andersartige“ Körper uns Einblicke in die entwicklungsbiologischen Vorgänge gewährt haben: etwa die französische Klosterschülerin, deren Geschlecht in der Pubertät wechselte, die Kinder, die – wie Homers Zyklopen – mit nur einem Auge auf der Stirn geboren wurden, die langlebigen Zwerge eines kroatisches Dorfes, jene übermäßig behaarte Familie, die über vier Generationen am burmesischen Hof gefangen gehalten wurde (und der Darwin eine seiner kühnsten Erkenntnisse zur menschlichen Vererbung verdankte), und der Stamm der Wadoma aus dem Sambesi-Tal mit ihren „Straußenfüßen“.

Dieses zutiefst menschliche und erhellende Buch sondiert elegant das Terrain zwischen Mythos und Molekularbiologie, es klärt auf und bewegt – und es handelt von uns allen.