Verrat. Die Arbeiterbewegung zwischen Trauma und Trauer

Verrat ist ein zentrales Moment aller chiliastischen Bewegungen. Sie benötigen Verrat und mehr noch die Figur des Verräters sowohl zur Stabilisierung ihrer Abgrenzungen gegenüber einer veränderungsunwilligen Mehrheitsgesellschaft als auch zur Disziplinierung der eigenen Gefolgschaft.
Dort, wo sich, wie in der Sowjetunion der zwanziger bis fünfziger Jahre und in den Ostblockstaaten der vierziger und fünfziger Jahre, »Verräter« nicht in hinreichender Zahl von selbst einstellen, werden sie produziert. Hierbei ist der Stalinismus keineswegs eine Ausnahme, sondern bietet lediglich – nicht zuletzt zum Studium – die vollendetste und konsequenteste Verlaufsform. Bei ihm waren die Funktionen des »Verrates« – zumindest im Rückblick – aller heiligen Schleier entkleidet.