Arnhold & Kotyrba Architekturführer

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Der am 1. Juli 2007 aus den ehemaligen Kreisen Halberstadt, Quedlinburg und Wernigerode sowie der Stadt Falkenstein neu geschaffene Landkreis Harz umfasst den Nordostharz und das nordöstliche Harzvorland. Er ist außerordentlich reich an Bau- und Kunstdenkmälern, wobei die architekturgeschichtlichen Schätze ein Jahrtausend abendländischer Baugeschichte umfassen.

Neben Burgen, Schlossanlagen und Fachwerkstädten spielt die Kirchen- und Klosterbaukunst mit Werken von teilweise internationalem Rang eine entscheidende Rolle in der Architekturlandschaft dieser Region. Das Spektrum reicht von der frühromanisch-ottonischen Architektur bis zu den Kirchenbauten aus Barock, Klassizismus und Historismus. Eine wahre Fülle hoch- und spätromanischer Kirchen und Klosteranlagen ist hier zu entdecken. Ein weiterer Höhepunkt ist die gotische Kathedralarchitektur des Halberstädter Doms.

Das Gebiet des heutigen Landkreises Harz liegt in einer Region, die in der Entstehungsgeschichte des frühen deutschen Staates eine entscheidende Rolle spielte. Karl der Große hatte das zum Stammesherzogtum Sachsen gehörende Land teilweise gewaltsam christianisiert und in das fränkische Reich eingegliedert. Mit der Gründung des Bistums Halberstadt entstand um 804 das geistliche und wirtschaftliche Zentrum für den östlichen Harzraum.

Nach den Teilungen des fränkischen Reiches und dem Aussterben der karolingischen Herrscherlinie im ostfränkischen Reich gelangte 919 ein Angehöriger des sächsischen Hochadels zur Würde des ersten deutschen Königs: Heinrich I. Er stammte aus dem Geschlecht der Liudolfinger, die im nördlichen Harzvorland beheimatet waren. Heinrich und seine Nachfolger, die in der Geschichtsschreibung als Sachsen oder Ottonen bezeichnet werden, herrschten ein Jahrhundert lang über den jungen Feudalstaat. Heinrich I. wählte den Burgberg von Quedlinburg zu seiner Lieblingsresidenz. Hier wurde nach seinem Tod 936 eines der bedeutendsten hochadeligen Damenstifte seiner Zeit gegründet.

Unter seinem Nachfolger, Otto I., dem Großen, konnten die wiederholten, verheerenden Einfälle ungarischer Reitertruppen endgültig gebannt werden. Die Folge war eine nachhaltige Stabilisierung der Verhältnisse. Ein enger Vertrauter Ottos, Markgraf Gero, stiftete 961 das Damenstift Gernrode, dessen Kirchenbau aus ottonischer Zeit weitgehend erhalten blieb. Es ist eines der wichtigsten Baudenkmäler dieser Epoche in Deutschland.

Die Blüte des Bau- und Kunstschaffens erstreckte sich im Harzraum über das gesamte 11. und 12. Jahrhundert, der Epoche der Salier- und Stauferkaiser. Davon zeugen der Neubau der romanischen Stiftskirche in Quedlinburg und weitere hochrangige Stifts- und Klosteranlagen im Kreisgebiet.

Mit dem Beginn des gotischen Neubaus der Bischofskirche von Halberstadt um 1236 begann ein neuer Abschnitt im Bau- und Kunstschaffen. Trotz einer von Unterbrechungen gekennzeichneten Bauzeit von über 250 Jahren entstand in Halberstadt eine einheitlich wirkende Kathedrale, die zu den schönsten in Mitteleuropa zählt. Zur gleichen Zeit gewannen die jungen Städte an wirtschaftlicher und auch politischer Macht. Die Stadtbürger konnten nun ebenfalls als Bauherren sakraler Architektur auftreten. Davon zeugen die Stadtpfarrkirchen in Halberstadt, Quedlinburg und Osterwieck.

Mit Beginn der Frühneuzeit, der Renaissance, erlosch als Folge der Reformation die kirchliche Bautätigkeit fast vollständig. Diese Epoche ist daher mit kirchlichen Baudenkmälern in der Region nicht durch nennenswerte Beispiele vertreten. Das gilt jedoch nicht für die Ausstattung bereits vorhandener Sakralbauten mit neuen Kanzeln, Altären oder Taufsteinen.

In der Zeit des Barocks, der Epoche zwischen dem Ende des 30-jährigen Krieges und der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts, wurden wieder Kirchenneubauten errichtet oder vorhandene Gebäude umgestaltet. Zahlreiche neue Altäre und Orgeln wurden geschaffen. Auch im 19. und 20. Jahrhundert entstanden Kirchenbauten im Stil des Klassizismus und Historismus, die jedoch in ihrer Bedeutung hinter den mittelalterlichen Beispielen zurückstehen.

Die starken Kriegszerstörungen, die Halberstadt leider noch kurz vor Ende des 2. Weltkrieges trafen, konnten an den drei bedeutendsten Kirchenbauten dieser Stadt bereits in den späten 1940er und frühen 50er Jahren behoben werden. Dies kann in Anbetracht der damaligen Zeitumstände nur als kulturelle Großtat gewürdigt werden.

Der Landkreis Harz stellt mit seinen angrenzenden Gebieten sowohl in Sachsen-Anhalt als auch in Niedersachsen ein Kernland der romanischen Baukunst Mitteleuropas dar.

Einige der wichtigsten und schönsten Kirchenbauten und Klosteranlagen werden hier in Wort und Bild dargestellt. Als Verfasser möchten wir zum Besuch dieser einzigartigen Kulturgüter anregen.