Kollision im Kino

Mime Misu und der Untergang der "Titanic"

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Der Untergang der „Titanic“ im April 1912 gilt als eines der Schlüsselereignisse der Moderne. Das kulturelle Echo auf diese Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts ist auch 100 Jahre später nicht verklungen. Bis in die Gegenwart umkreisen Filme, TV-Sendungen und literarische Texte den modernen Mythos der tragischen Selbstüberhebung eines luxus- und technikfixierten Fortschrittsdenkens. Schon unmittelbar nach dem Ereignis arbeiteten die Medien an seiner konsequenten Ästhetisierung und Allegorisierung. Innerhalb weniger Wochen entstand in Deutschland eine der ersten filmischen Dramatisierungen: „Titanic – In Nacht und Eis“ (1912). Berichte über das Unglück waren bereits in der internationalen Presse zu lesen und in frühen Wochenschauen zu sehen, prominente Intellektuelle diskutierten in den Feuilletons seine Bedeutung als Menetekel eines fundamentalen Zivilisationsbruchs. Unter Einsatz spektakulärer Spezialeffekte und einer für seine Zeit äußerst ungewöhnlichen Verbindung von dokumentarischem Gestus und avancierter Erzähltechnik präsentiert „Titanic – In Nacht und Eis“ nicht zuletzt das frühe Kino selbst als wirkungsmächtiges Deutungsprisma gesellschaftlicher Krisendiskurse.

Diese erste Filmische Verarbeitung der Katastrophe galt lange Zeit als verschollen und ist heute kaum noch bekannt. Ebenso wenig ist sein Regisseur im Gedächtnis geblieben, dessen geheimnisvoller Name „Mime Misu“ der Forschung bis heute Rätsel aufgibt. Gestützt auf umfangreiche Archivrecherchen und Dokumente aus dem Privatbesitz Misus erzählt Michael Wedel die schillernde Biografie des seinerzeit als Wunderkind gerühmten Regisseurs. Sorgfältig rekonstruiert er die Umstände und beschreibt die Merkmale des frühen Sensations- und Katastrophenkinos Misus. Im Zentrum des reich illustrierten Buches stehen die ausführliche Betrachtung von Misus „Titanic“-Film und die Frage nach dessen Teilhabe an der Inszenierung eines der ersten Medienereignisse der Moderne.