Naturheiler, Zahnreißer und Viehdoktoren

Bäuerliche Heiltraditionen

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Heiler beiderlei Geschlechts, die aus dem Urin ihre Diagnose stellten, Brucheinrichter, sogenannte „Boahaler“, die gebrochene Knochen wieder einzurichten versuchten, Zahnreißer, die ohne viel Federlesen einem Schmerzgeplagten einen Zahn entfernten und natürlich auch bäuerliche Viehdoktoren, die bei Geburten oder bei Krankheiten des Viehs gerufen wurden – sie wirkten in großer Zahl in der Weststeiermark. Auffallend ist, dass das Wissen gerne innerhalb der Familien weitergegeben wurde, sodass man beinahe von Heilerdynastien sprechen kann. Warum suchte man eigentlich alle diese „Afterärzte“, wie sie verächtlich von den Vertretern der Schulmedizin genannt wurden, auf? Der Beginn dieser Untersuchung setzt ungefähr im Jahr 1850 an. Da gab es in der Weststeiermark keine Spitäler. Das Krankenhaus Deutschlandsberg wurde z. B. erst 1984 (!) errichtet. Einzig in Voitsberg gab es 1860 so etwas wie eine hospitale Einrichtung: ein Knappenspital mit sechs Betten. Das heutige Krankenhaus in Voitsberg wurde 1900 eröffnet. Für die bäuerliche Bevölkerung gab es damals keine Krankenversicherung, kaum einer hätte sich auch einen Krankenhausaufenthalt oder gar eine Operation leisten können. Auch das Netz der ärztlichen Ordinationen am Land war recht weitmaschig und ein Hausbesuch zudem witterungsabhängig. Das sind aber nur einige der Gründe, warum bäuerliche Heiler einen so großen Zulauf hatten.