Das nördliche Harzvorland ist außerordentlich reich an Bau- und Kunstdenkmälern, wobei die architekturgeschichtlichen Schätze ein Jahrtausend abendländischer Baugeschichte umfassen. Neben hochrangigen Sakralbauten und Fachwerkstädten spielen hier Burgen und Schlösser eine entscheidende Rolle.
Das Spektrum umfasst Bauten und Ensembles wie die Goslarer Kaiserpfalz, die Stiftsburg Quedlinburg, eine klassische Höhenburg wie Falkenstein sowie eindrucksvolle Niederungsburgen. Weiterhin sind Schlossanlagen der Renaissance und des Barock zu bewundern. Viele der mittelalterlichen Bauten wurden in der frühen Neuzeit, in der Zeit vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, umgebaut und neu ausgestattet. Gleichzeitig entstanden zu den Schlössern gehörige Gartenanlagen von hohem Rang.
Die Harzregion spielte in der Entstehungsgeschichte des frühen deutschen Staates eine entscheidende Rolle. Karl der Große hatte das zum Stammesherzogtum Sachsen gehörende Land christianisiert und in das fränkische Reich eingegliedert. 804 entstand mit der Gründung des Bistums Halberstadt das geistliche und wirtschaftliche Zentrum für den östlichen Harzraum. Nach den Teilungen des fränkischen Reiches und dem Aussterben der karolingischen Herrscherlinie im ostfränkischen Reich gelangte 919 ein Angehöriger des sächsischen Hochadels zur Würde des ersten deutschen Königs: Heinrich I. Er stammte aus dem Geschlecht der Liudolfinger, welches im nördlichen Harzvorland beheimatet war. Heinrich und seine Nachfolger, die als Sachsen oder Ottonen bezeichnet werden, herrschten ein Jahrhundert lang über das Reich. Heinrich I. wählte Quedlinburg zu seiner Lieblingsresidenz. Nach seinem Tod entstand hier 936 eines der bedeutendsten Damenstifte seiner Zeit.
Eine Blütezeit des Bau- und Kunstschaffens erstreckte sich im Harzraum während des 11. und 12. Jahrhunderts, in der Epoche der Romanik. In dieser Zeit regierten die Salier- und Stauferkaiser. Nun gelangte Goslar zu Ruhm und Ansehen. Mit der Pfalz entstand hier unter dem mächtigen Salierkaiser Heinrich III. um 1050 einer der größten seinerzeitigen Profanbauten. Sie wurde schließlich von den Staufern um- und weiter ausgebaut.
Die nördliche Harzregion gehörte im Mittelalter zu den Territorien der Bistümer Halberstadt und Hildesheim, des Stifts Quedlinburg, dem Herzogtum Braunschweig sowie der Grafschaften Anhalt, Wernigerode und Blankenburg (seit dem 13. Jh. Regenstein). Dazu kommen die Pfalz und spätere Reichsstadt Goslar sowie weitere kleine Herrschaftsbereiche, die bisweilen nur einen Adelssitz und wenige Dörfer umfassten. In Folge der Reformation und durch die Ereignisse des Dreißigjährigen Krieges, kam es zu Veränderungen in den Herrschaftsbereichen. 1599 fiel die Grafschaft Regenstein mit Blankenburg an das Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel. 1648 gelangte das Bistum Halberstadt an Brandenburg (später Preußen), schließlich auch Quedlinburg. Goslar war wegen seines Reichtums durch den Bergbau mehrfach Zankapfel verschiedener Mächte. Im 16. Jahrhundert geriet die Reichsstadt unter den Einfluss der Welfen (Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel).
Nach der durch den Dreißigjährigen Krieg verursachten Stagnation hob zum Ende des 17. Jahrhunderts eine neue Bautätigkeit an. Sie hinterließ wiederum bedeutende Schlossbauten und Raumgestaltungen, welche der Epoche des Barock zugeordnet werden.
Burg und Schloss
Eine Burg ist ein befestigter und verteidigungsfähiger Wohnsitz eines Adligen und seines Gefolges. Grundlage und Hintergrund des Burgenbaus ist die auf Grundherrschaft beruhende, ständische Gesellschaftsordnung des Mittelalters (Feudalsystem). Burgen konnten genauso Sitz eines Königs oder Fürsten wie von Ministerialen (adligen Funktionsträgern der Landesherrschaft) oder des niederen Landadels sein. Weiterhin kennen wir Ordens- und Kirchenburgen. Man unterscheidet Burgen nach ihrer topographischen Lage als Niederungs- oder Höhenburgen. Wichtigster Aspekt der Platzierung einer Burg in der Landschaft war stets die optimale Verteidigungsmöglichkeit. Niederungsburgen weisen in der Regel eine Lage an Wasserläufen oder künstlich geschaffenen Wassergräben auf. Eine Besonderheit waren die Königs- bzw. Kaiserpfalzen. Sie dienten nicht als feste Residenzen, sondern wurden von den ständig umherziehenden Herrschern des Mittelalters sowohl als Reiseetappen als auch zu Hof-, Gerichts- und Reichstagen und für die entsprechenden Festlichkeiten genutzt. In den Pfalzen entstanden die größten weltlichen Gebäude der Zeit, wie das Kaiserhaus in Goslar beweist.
Mit Beginn der Frühneuzeit, in der Epoche der Renaissance, vollzogen sich auf vielen Gebieten umfassende Wandlungen. Die Erfindung und der Einsatz von Feuerwaffen machte Burgen bereits seit dem 14. Jahrhundert immer verwundbarer. Somit erlahmte der Neubau von Burgen, während vorhandene Anlagen nach wie vor aus- und umgebaut wurden. Hier verschob sich der Schwerpunkt immer mehr auf Wohnlichkeit und Repräsentation.
Neubauten adliger Bauherren wurden nun nicht mehr in schwer zugänglichen und gut zu verteidigenden Lagen, sondern nach den Anforderungen von Bequemlichkeit und Repräsentation errichtet. Damit war der Gebäudetyp Schloss entstanden. Voran gingen hier die deutschen Landesfürsten, welche auch im Zuge der Reformation während des 16. Jahrhunderts immer mehr Macht, Einfluss und Reichtum erwarben. Die meisten Renaissanceschlösser zeigen sich als Um- und Erweiterungsbauten früherer Burganlagen. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts entstanden weitere Schlossbauten, nun im Stil des Historismus.
Die Harzregion ist eine Fundgrube für den Liebhaber historischer Bauten. Burgen und Schlösser bilden einen bedeutenden Anteil und zeigen sich in zahlreichen Varianten. Diese Publikation bietet einen Überblick über die wichtigsten und schönsten Bauwerke dieser Art und lädt zu Exkursionen an Orte großer historischer und kunstgeschichtlicher Bedeutung ein.
- Veröffentlicht am Donnerstag 20. Dezember 2012 von Kotyrba, Sándor
- ISBN: 9783942712279
- 64 Seiten
- Genre: Architektur, Kunst, Literatur, Sachbücher