Blütenpflanzen und ihre Gäste (Teil 4)

Selbst nur wenig naturverbundene Menschen können sich eine Welt ohne die bunte Vielfalt der Blumen
kaum vorstellen. Aber auch die prächtigsten, schon fast wie reine Luxus-Geschöpfe der Natur anmutenden Blütenformen sind keineswegs nur für das menschliche Auge geschaffen: Blütenfarbe, Duft und Nektar, ja sogar die Zeit des Blühens sind ausschließlich auf die Anlockung von Insekten angelegt, um die Bestäubung sicherzustellen. Der Grund: Zwar können Pflanzen ihre Blüten und Blätter zum Licht drehen, mit ihrem Standort sind sie aber fest verwurzelt. Da sich die ,Geschlechtspartner“ somit nicht von alleine annähern können, benötigen sie ,Vermittler“, die, menschglich gesprochen, als ,Spediteure“ oder ,Transportunternehmer“ den Pollen-Transfer von den männlichen Staubgefäßen zu den weiblichen Narben besorgen. Neben Wind und gelegentlich auch Wasser kommen vor allem Tiere als Pollenüberträger in Frage. In Mitteleuropa sind dies fast ausschließlich Insekten: Bienen, Fliegen, Schmetterlinge und Käfer besorgen in unseren Breiten rund 80 % der Bestäubung. Dies geschieht – menschlich gesprochen – jedoch nicht aus reiner Hilfsbereitschaft und Selbstlosigkeit. Zwischen Insekt und Blüte besteht vielmehr eine Art ,Handelsabkommen“: Die Blüten halten für ihre Gäste wohlschmeckenden, energiereichen Nektar bereit, außerdem wird eiweißreicher Pollen im Übermaß produziert, den Honigbienen, Wildbienen und Hummeln zur Aufzucht ihres Nachwuchses benötigen. Blütenbiologie und Blütenökologie haben anhand vieler Beispiele aufgezeigt, dass Blüten und die sie besuchenden Insekten in ihren morphologischen Strukturen aufeinander abgestimmt sind. Entsprechend dieser gegenseitigen Angepasstheiten gibt es Tag- und Nachtfalterblumen, Bienenblumen, Hummelblumen, Fliegen- und Käferblumen. Unter dem hier gewählten Begriff ,Blume“ versteht man eine bestäubungsbiologische Einheit, unter der Bezeichnung ,Blüte“ eine morphologische. Schon ein blütenloses Jahr würde allein 100 000 Insektenarten ausrotten (G. Olberg 1951) – die weiteren Folgen in den Nahrungsketten sowie die zunehmende Versteppung der Landwritschaft wären gar nicht abzuschätzen. Die Erhaltung blütenreicher Lebensräume (einschließlich aller Klein- und Restbiotope) bildet damit ein Grundanliegen des gesamten Nutur- und Artenschutzes, wozu jeder nach seinen Möglichkeiten beitragen sollte.