Gefühlige Zeiten

Die zwanghafte Sehnsucht nach dem Echten

von

Wenn die Band ›Unheilig‹ singt: »Kein Augenblick ist je verloren, wenn er im Herzen weiterlebt« oder Mark Foster zu Geigenklängen intoniert »Ich geh auf Reisen. Ich mach alles das, was ich verpasst hab. Ich lass alles hinter mir. Hab was Großes im Visier«, dann sind wir am Puls unserer Zeit. Die Utopie von einem echten, wahren Leben treibt uns um – manchmal in erschreckend abgedroschenen Phrasen.
Von Shabby-Chic über Extremsport bis Rückzug – wir sind auf der Jagd nach dem echten Gefühl. Die einen ziehen sich in ihre Eigenheim-Idyllen zurück, heiraten in einem Traum von Weiß und pflegen ihren Dialekt. Die anderen suchen ruhelos das Glück in der Ferne – mithilfe von Eventtourismus oder gar im militärischen Kampf für das vermeintlich Gute.
Christian Saehrendt sucht nach der Kraft hinter all diesen paradoxen Fluchtbewegungen – und stellt fest: Wir leben in einer Epoche der Neo-Romantik, die wie vor gut 200 Jahren als Folge einer tiefgreifenden Entfremdung zu verstehen ist.