»Fröhliche Wissenschaft« – so hieß vor zwanzig Jahren eines der von Annette Brauerhoch mit herausgegebenen Hefte von Frauen und Film. In dem Rekurs auf Nietz-
sches Wendung steckt die Spannung zwischen Lust und Leid, die Sehnsucht nach Leichtigkeit wie auch nach Leidenschaft in einer oft als zermürbend empfunde-
nen akademischen Praxis. Film, lange Zeit nicht als ernsthafter Forschungsgegenstand anerkannt, schien aufgrund seiner Anrüchigkeit und Randständigkeit besonders geeignet, die Universität anders zu denken.
Dort wurde die Filmwissenschaft schnell Teil einer als universal verstandenen Medienwissenschaft, die auch hochschulpolitisch erfolgsträchtiger war. Dem ökono-
mischen Bedeutungsverlust von Film selbst und dem Verschwinden analoger Materialität steht seine digitale Allgegenwart als Bewegtbild gegenüber.
Jenseits solcher Verschiebungen hat Annette Brauerhoch stets auf dem ›unanständigen‹, anstößigen Charakter von Film bestanden. Dazu gehört eine Körper-
lichkeit, die sie auf verschiedenen Ebenen beschrieben hat – Körper auf der Leinwand, (Zuschauer)körper im Kino, und schließlich der Körper des Films selbst: Ma-
terial, das altert und Schrammen davonträgt, Perfektion verweigert.
Die ›Anstößigkeit‹ von Film betrifft aber nicht nur seine lustvollen und ichbezogenen Komponenten, sondern besonders sein kritisches Potenzial und damit seine politische Relevanz. Wird er weiterhin als ein Medium ernst genommen, das bestehende Verhältnisse reflektiert und dabei andere Wahrnehmungen ermöglicht, ist er ein emanzipatorisches Medium – und Filmwissenschaft eine Form der Wissenschaftskritik.
Fröhliche Filmwissenschaft steht einer abstrakten und lebensfernen, doch ebenso einer auf ökonomische Verwertbarkeit ausgerichteten Wissenschaft entgegen. …
Fröhliche Wissenschaft manifestiert sich auch in dem lauten Lachen, das in Paderborn oft aus Annette Brauerhochs Büro über den Gang schallt. Mit Energie und
Rückenwind aus ihrer Zeit an der New Yorker Columbia hat sie hier seit 2001 im Wortsinn einen Raum für den Film geschaffen. … Neben Sammlungen u.a. zum
Amateurfilm hat Annette Brauerhoch in Paderborn ein einzigartiges Archiv zum Experimentalfilm von Frauen aufgebaut, das immer wieder in der Lehre zum Einsatz
kommt – einige der Filmemacherinnen sind in diesem Buch mit Beiträgen vertreten. …
Wissenschaftliche Texte treffen auf Bildcollagen, Essays auf Verszeilen, Interview auf Kurzdrehbuch, Gefundenes auf Erfundenes – und treten miteinander in einen Dialog, den wir als eine fröhliche Form von Wissenschaft verstehen möchten.
- Veröffentlicht am Montag 7. Dezember 2015 von Stroemfeld
- ISBN: 9783866002531
- 348 Seiten
- Genre: Autobiographien, Biographien, Film, Musik, Sachbücher, Theater