»Am 31. Mai ist der offizielle Gedenktag der Republik Kasachstan für die Opfer politischer Repressionen. Aus diesem Anlass wurde unsere Ausstellung eröffnet, die dem Schicksal deutscher antifaschistischer Emigranten gewidmet ist, die in der Sowjetunion Opfer des stalinistischen Terrors wurden. Als eine Autorin begleitete ich die Wanderausstellung… Nach über 50 Jahren kam ich zurück in die Stadt, in der ich 1949 geboren wurde, die meine erste Heimat war und von der ich mich längst verabschiedet hatte… Karaganda, einst ungewollte, ungeliebte Heimat hunderter Häftlinge und Verbannten, war für mich keinesfalls verbunden mit Arbeitslager, Hunger und Entbehrungen. Einst war diese Stadt ausschließlich der Platz meiner schönen Kindheit. Heute ist mir bewusst, dass dieser Ort für meine Eltern eine ganz andere Bedeutung hatte: Terror gegen deutsche Antifaschisten, die vor Hitler flohen und in der Sowjetunion verfolgt, deportiert und ermordet wurden. Die Teilnahme an der zentralen Gedenkfeier für die Opfer der politischen Repressionen, der Besuch in Dolinka, das ich aus Erzählungen meines Vaters kannte und das bis zur Auflösung des Lagersystems in Kasachstan die zentrale Lagerverwaltung beherbergte, sowie der Besuch des Kinderfriedhofes des ehemaligen Frauenlagers waren nicht angetan, vermeintlich schönen Kindheitserinnerungen nachzuhängen.«
- Veröffentlicht am Dienstag 26. Januar 2016 von Dietz Vlg Bln
- ISBN: 9783320023225
- 256 Seiten
- Genre: Autobiographien, Biographien, Geschichte, Sachbücher