DASt-Forschungsbericht 1/2010

Tragende Scheibenelemente aus Stahl-Glas-Verbund

1/2010 Forschungsbericht
Tragende Scheibenelemente aus Stahl-Glas-Verbund
Universität der Bundeswehr München Institut für Konstruktiven Ingenieurbau
Professur für Baukonstruktion und Bauphysik
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Geralt Siebert Dipl.-Ing. Andreas Haese MBA
Aufgrund der geringen Erfahrung und der fehlenden Grundlagen sind in allen derzeit für den Bereich des Konstruktiven Glasbaus gültigen Normen Beanspruchungen der Scheiben in Scheibenebene (außer Eigengewicht) und auf Schub explizit ausgeschlossen. Auch in den Arbeiten zur [DIN18008] ist dieser Bereich ausgeklammert.
Auf der anderen Seite herrscht aber kein Zweifel darüber, dass Verglasungen zur Abtragung von Lasten in Scheibenebene herangezogen werden können, als auch, dass der Ansatz von Fassadenelementen zur Aussteifung in Fassadenebene prinzipiell möglich ist und zu deutlich wirtschaftlicheren und leichteren Konstruktionen führen würde.
Im Rahmen diverser Forschungsprojekte wurden und werden die grundlegenden Tragmechanismen im Hinblick auf Stabilität untersucht. Die dabei zu Grunde liegenden Randbedingungen sind jedoch vielfach nicht direkt auf eine mögliche Anwendung übertragbar. Konkret heißt dies, z.B. für Fassadenkonstruktionen, dass ein „echtes“ Beulen der Scheiben nur schwer erreicht werden kann, da die Steifigkeit der Unterkonstruktion dazu zu gering ist, so dass diese entsprechend mitverformt wird. Mit dem Ziel einer möglichst schlanken Stahlkonstruktion wurde in diesem Projekt das Zusammenwirken von Stahl und Glas als Modul bzw. Verbund-Modul betrachtet und so ein System entwickelt, das die Vorteile beider Materialien vereint. Es wurden numerische und experimentelle Untersuchungen an Glaselementen durchgeführt, die an den vertikalen Kanten durch U-Profile (allg. Randbalken) verstärkt waren.
Im ersten Schritt wurde zur Untersuchung der Fragestellung ein numerisches Modell entwickelt, das durch Vergleichsrechnungen mit Beispielen aus der Literatur und auch durch die im weiteren Verlauf durchgeführten Versuche verifiziert wurde.
Für das zu untersuchende System wurden verschiedene Lasteinleitungsvarianten für mehrere Geometrien von Scheibe und Randbalken sowohl numerisch, wie auch experimentell untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass eine Lasteinleitung direkt in den Randbalken für das Gesamttragverhalten am günstigsten ist, d.h. eine große Vertikallast bei geringer Verformung zulässt. Dies hat insofern weitreichende Folgen für dieses Projekt, als die Problematik der Spannungskonzentrationen bei Lasteinleitung in die Scheibenkanten damit entfällt.
Mit Hilfe des numerischen Modells wurde das Last-Verformungsverhalten eingehender untersucht. Dabei stellte sich u.a. heraus, dass für das Gesamttragverhalten die Art der Querbelastung senkrecht zur Scheibenebene keinen wesentlichen Einfluss hat. DasLast-Verformungsverhalten in Abhängigkeit von der Vertikallast hängt in erster Linie von der durch die Querbelastung hervorgerufene Verformung des Randbalkens ab.
Ferner wurde die Interaktion Glas-Zwischenlage-Stahl hinsichtlich Reibung und Adhäsion und deren rechnerischer Berücksichtigung genauer betrachtet.
Auf Basis dieser Ergebnisse konnten Ansätze zur Bemessung für das im Rahmen dieses Projektes untersuchte System aus Scheiben mit Randbalken formuliert werden. Dabei wurden auch verschiedene Schadensszenarien bis hin zum Ausfall einzelner Scheiben berücksichtigt.