Componiert post-mortem anno domini 2016 meinem Freunde Daniel Oberegger in inniger Zuneigung, weil er meine Winterreise für eine Zeit aktualisiert hat, die ich nie für möglich gehalten hätte.
Daniel: Hallo, Franz! Ich hätte nie geglaubt, dass du mich besuchen kommst.
Franz: Das hätte ich auch nicht geglaubt. Ich habe diese Tür geöffnet, und plötzlich bin ich in ganz einer anderen Welt.
Daniel: Kann ich dir etwas anbieten? Bist du hungrig? Im Kühlschrank habe ich allerdings nur Schokolade.
Franz: Danke, ich bin schon vor ziemlich langer Zeit gestorben und daher esse ich nichts mehr, trinken tu ich leider auch nichts mehr.
Daniel: Schau, ich habe hier deine „Winterreise“ auf den Stand des 21. Jahrhundert aktualisiert.
Franz: Was? 21. Jahrhundert? Welches Jahr haben wir denn?
Daniel: 2016.
Franz: Diese Zeit hätte ich nie für möglich gehalten!
Daniel: Wenn ich mich nicht täusche, bist du seit 188 Jahren tot.
Franz: Ich weiß, aber jetzt, wo ich schon da bin, kann ich dir ja eine Sonate komponieren.
Daniel: Wirklich? Das ist ja großartig!
Franz: Weil du ja meine Winterreise so schön neu vertextet hast.
Daniel: Wenn du mir eine Sonate komponierst, darf ich da mitmachen?
Franz: Nein. Ich komponiere im Vergleich zu Beethoven wie ein Schlafwandler. Bei ihm ist alles Architektur, bei mir misslingt es, wenn ich zu viel nachdenke oder konstruiere. Du kannst dir höchstens die Tonart aussuchen.
Daniel: F- moll. Und beginn beim Komponieren mit dem vierten Satz.
Franz: Warum denn das?
Daniel: In vielen Sonaten von dir verlierst du die Lust. Das hört man dann im vierten Satz.
Franz: Das war, weil ich ungeduldig war, als ich noch am Leben war. Jetzt kann ich mir Zeit lassen. Was soll der vierte Satz denn sein?
Daniel: Ein Rondo im Drei-Viertel- Takt.
Franz: Geht Rondo- Sonatenform auch?
Daniel: Ja, meinetwegen.
- Veröffentlicht am Sonntag 18. September 2016 von epubli
- ISBN: 9783741850738
- 46 Seiten
- Genre: Film, Musik, Sachbücher, Theater