Stand-Ins – Wir verändern die Wahrheit nicht, wir ergänzen sie

Herr Katō spielt Familie | Milena Michiko Flašar besprochen von los_lesen am 13. April 2018.

Bewertung: 5 Sterne

Herr Kato tritt in eine neue Lebensphase ein – den Ruhestand. Und so wie es vielen Menschen damit geht, geht es ihm auch. Er hat Schwierigkeiten sich an seine freiverfügbare Zeit zu gewöhnen und sie, für sich sinnvoll, zu nutzen.
Bis eines Tages eine junge Frau am Rande seines Weges aus dem Schatten in sein Leben tritt. Sie erklärt ihm Chefin einer Agentur, der sogenannten „Happy Family“ zu sein. Die Dame und ihre Kollegen werden von Personen gebucht, die z.B. eine Oma oder Opa, einen Arbeitskollegen, eine Tochter oder einen guten Freund als Unterstützung für verschiedene Anlässe benötigen. Und er, das sehe sie gleich, habe großes Talent dafür. Nur das mit Lachen, das müsse er noch üben. Doch er solle sich bei ihr melden, wenn er Interesse habe einzusteigen, dann erzähle sie ihm gerne mehr darüber.
Ab da, dauert es nicht mehr lange und Herr Kato ist als „Opa“ auf dem Weg zu seinem ersten Auftrag. Und die Agenturchefin behält Recht. Herr Kato macht sich gut und verkörpert die „geforderten“ Personen sehr überzeugend. Gerne würde er seiner Frau davon erzählen, doch die scheint im Moment nur noch ihre Leidenschaft, das Tanzen, im Sinn zu haben.

Milena Michiko Flasar wurde gleich mit ihren ersten Roman „Ich nannte ihn Krawatte“ berühmt, der es 2012 sogar auf die Longlist des Deutschen Buchpreises schaffte.
Und auch mit „Herr Kato spielt Familie“ gelingt der Autorin eine sowohl zarte als auch berührende Geschichte.
Doch man muss sich, wie ich finde, Zeit lassen mit dem Buch. Immer wieder musste ich innehalten und mir Gedanken zu den gelesenen Aussagen machen. In kleinen Häppchen genoss ich die Metaphernlastigen Passagen.
Ein Absatz, der mir z.B. sehr nahe ging war eine Aussage der Agenturchefin bezüglich Herr Katos Rede, die er am Hochzeitstag einer todkranken Braut halten sollte.
So erklärte sie ihm zu einem Foto, auf dem das zukünftige Brautpaar in einem Riesenrad sitzt:“ Dieses Foto trifft sie (gemeint ist das Brautpaar) am meisten. Sie oben, der Rest unten so unendlich klein. Wenn Sie die Rede halten, denken Sie daran. Dass nach oben hin sehr viel Raum ist. Und wir sind es den beiden schuldig, uns dort hinaufzuschwingen. Ich befürchte, sonst erreichen wir sie nicht.“
Von dieser Art, gibt es viele in Milena Flasars Roman. Stellen, die zum Nachdenken, Innehalten und Textmarkieren einladen.

Fazit:
Eine Leseschatz, den man mehr als einmal lesen wird.

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