Wiener Blut ist der zweite Band einer im Englischen als Liebermann Papers erschienenen Serie. Sechs Bände hat der Brite Frank Tallis zwischen 2006 und 2011 veröffentlicht, erst vor kurzem ist #7, Mephisto Waltz, erschienen und wird hoffentlich bald ins Deutsche übersetzt werden. Frank Tallis ist nicht nur Schriftsteller, sondern auch klinischer Psychologe, und so werden die Mordfälle hier von einem Psychoanalytiker gelöst, dem jungen Dr. Max Liebermann, der, wie könnte es anders sein, ein Schüler von Sigmund Freud und regelmäßiger Gast bei diesem in der Berggasse 19 ist.
Da ein Psychoanalytiker nur in seltenen Ausnahmefällen über Leichen stolpert, kommt Liebermann mit den Kriminalfällen, die es zu lösen gilt, durch seinen Freund, Inspektor Oskar Rheinhardt, in Berührung. Dieser zieht ihn immer dann zurate, wenn er selbst mit seinem kriminaltechnischen Latein am Ende ist. So ist es auch im Winter 1902, als Inspektor Rheinhardt bei klirrender Kälte in den Schönbrunner Tiergarten gerufen wird, um die Spuren eines Verbrechens zu sichern. Es gilt, herauszufinden, wer für den Tod von Hildegard verantwortlich ist, die von den Wärtern in drei Teile zerschnitten in ihrem Gehege aufgefunden wurde. Rheinhardt fühlt sich für die Aufklärung des Mordes an einer Anakonda nicht wirklich zuständig, aber da der Kaiser ein besonderes Interesse an dem Fall hat, bleibt ihm keine andere Wahl, als die Untersuchungen aufzunehmen. Dann werden menschliche Leichen entdeckt, alle verstümmelt und scheinbar willkürlich ausgewählt. Auch Dr. Liebermann kann zunächst keine Zusammenhänge herstellen.
Aber Max Lieberman geht nicht nur auf Mörderjagd. Der junge Doktor muss auch mit seiner Libido klarkommen und herausfinden, ob seine Verlobte wirklich die richtige Frau für ihn ist. Und dann ist da auch noch Miss Lydgate, die Engländerin, die ihm nicht aus dem Kopf geht.
Meine Meinung: Der in London lebende Frank Tallis siedelt seinen Krimi in einer Zeit und Umgebung an, die auf ihn selbst eine große Faszination auszuüben scheint und mit der er sich auch sehr intensiv beschäftigt haben muss. Nur so konnte es ihm gelingen, die Atmosphäre im Wien des beginnenden 20. Jahrhunderts einzufangen und, soweit ich das beurteilen kann, auch sachlich keine Fehler zu machen. Er führt uns an Orte, die in Wien jede*r kennt, die aber nicht ganz oben auf der Liste der beliebtesten Touristenziel stehen, beispielsweise auf den Spittelberg oder zur Ruprechtskirche. Die Übersetzung habe ich in diesem Fall besonders kritisch beäugt, und auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass das Deutsch etwas wienerischer ausgefallen wäre, sind mir mit einer Ausnahme keine Schnitzer aufgefallen.
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