Ein Roman, der von dem Verlust der Heimat, der Sehnsucht nach dem Vergangenen und dem Ankommen erzählt. Das, was im Text ewigen Bestand hat, ist die Tatsache, dass nichts und kein Ort von Dauer sind. Es gibt zwei Szenen im Roman, die sich sehr ähneln. In der ersten fährt Alia an den Strand und geht so weit ins Meer, bis ihr das Wasser bis zu den Waden reicht. Ringsum sie wogt der Ozean und unter ihren Füßen wird der Sand verschoben, als sie eine größere Welle taumeln lässt. Jahre später ist es Alias Tochter, Riham, die sich beim Schwimmen im Meer zu weit hinaus wagt und von einem Sog erfasst wird und fast die Küste nicht mehr erreicht. Diese Symbolik ist für den Inhalt prägend. Die Suche nach Halt in einer sich ständig verändernden Welt. Der Roman hat selbst diese enorme Sogkraft und umspannt die Geschichte einer Familie von 1963 bis 2014. Diese Familie steht für viele Menschen Pate, die ihre Heimat verlassen mussten. Millionen von Menschen sind Vertriebene, Flüchtlinge und stammen meist aus Kriegsgebieten, wo jetzt die Orte und Landschaften durch Zerstörung nicht mehr so sind wie vorher. Dieses Aufgeben und das Zurücklassen des bisher gelebten Lebens kann sich traumatisierend auswirken. Leider müssen dann die meisten in der neuen Heimat erneut ihre Existenz und die Flucht rechtfertigen. Der Wunsch, sich ein neues Heim aufzubauen, neue Erinnerungen zu bilden, prägt somit die folgenden Generationen.
Salma und Hussam mussten ihre Heimat Jaffa verlassen und finden in Nablus ein neues Zuhause. Doch bleibt für Salma alles fremd. Nur in ihrem Garten findet sie ihr eigenes Reich. Jahre später erinnert sich sogar ihre Enkelin Riham vermeintlich an diesen Garten. Die Frage, was Familienerinnerungen prägt, spiegelt sich in diesem Bild. Salmas Kinder sind es, die in der neuen Heimat aufwachsen. Ihre Tochter Alia fühlt sich sehr mit dem Haus und ihrem Leben in Nablus verbunden. Als Alia heiratet, liest Salma ihr vorher die Zukunft in ihrem Kaffeesatz. Doch traut sich Salma nicht, Alia die Wahrheit zu sagen, denn auch ihr steht laut der Prophezeiung ein unruhiges und schwieriges Leben bevor. Nachdem Salma diese Vorahnung verschwiegen hat, muss sie erleben, wie sich erneut das Leben wandelt. Mustafa ihr Sohn stirbt im Sechstagekrieg und ihre Tochter flieht nach Kuwait. Alia empfindet ihr neues Leben in Kuwait befremdlich und beengend. Sie erlebt diese Flucht nach Kuwait gleich ihrer Mutter damals aus Jaffa. In ihr bleibt stets die Sehnsucht nach der Heimat. Sie beobachtet das Leben ihrer Kinder in der für sie stets fremden Umgebung, in der die Kinder ihre Wurzeln haben. Ihre Kinder leisten auch gegen ihre althergebrachten Traditionen Widerstand und wollen sich immer mehr lösen. Doch erneut verliert die Familie ihr Zuhause und rettet sich n alle Himmelsrichtungen.
Die Lebensgeschichte wird oft durch den Einfluss anderer bestimmt. Das Hoffen auf einen Ort, der einem bleibt, prägt das Leben dieser Familien und der einzige Halt ist genau diese Überzeugung, diesen zu finden und zu erbauen. Ein bewegender und sehr schön geschriebener Roman über eine Familie, die über Generationen entwurzelt wurde. Die Geschichte wird aus verschiedenen Perspektiven der jeweiligen Familienmitglieder erzählt. Der Text baut sich chronologisch auf und neben den einzelnen Schicksalen beleuchtet er die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen. Das Buch ist somit mehr als ein gut zu lesender Familienroman.
Hala Alyan ist eine palästinensisch-amerikanische Autorin und Lyrikerin. „Häuser aus Sand“ ist ihr erster Roman, der auf Deutsch erschienen ist. Es bleibt also zu hoffen, dass weitere Werke folgen.
Zuerst veröffentlicht im Leseschatz. Mehr zu Hauke Harder hier. Ihr trefft ihn in der Buchhandlung Almut Schmidt.
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