Dieser posthum veröffentlichte Roman des bekannten spanischen Schriftstellers Rafael Chirbes erzählt eine ganz gewöhnliche Liebesgeschichte. Man lernt sich kennen, zieht noch im ersten Taumel zusammen, der Alltag bricht irgendwann herein, die ersten ernsteren Zwiste folgen und irgendwann trennt man sich wieder. Auch das einer der Liebenden innigere Gefühle hat, eifersüchtiger ist, die Trennung nur schwer akzeptieren kann, gehört, platt gesagt, zum Lauf der Dinge.
Der junge Ich-Erzähler strandet ohne Geld und Unterkunft in Paris, geflohen vor seiner dogmatischen Familie. Künstler möchte er sein, Geschäftsmann soll er werden. Er lernt den erheblich älteren Arbeiter Michel kennen, einen lebendigen, großherzigen Mann, der ihn aufnimmt und mit durchfüttert. In der Phase der ersten Verliebtheit merkt der junge Mann nicht, was der Preis dieser Fürsorge ist: Michel wünscht seine ungeteilte Aufmerksamkeit, die totale Aufgabe aller anderen Kontakte und Wünsche. Nach einem Besuch bei seinen Eltern kommt es zum Bruch, der junge Mann zieht aus. Er erträgt die erzwungene Nähe nicht mehr.
So weit, so altbekannt. Doch nun kommt „die Plage“ ins Spiel. Michel erkrankt daran, an eine Rettung ist nicht zu denken. „Die Plage“, nie wird diese Erkrankung beim richtigen Namen genannt, aber es liegt nahe, ist AIDS. Chirbes beschreibt den Niedergang, den Verfall Michels. Er erzählt, wie der junge Mann zunächst panisch auf jedes Erkrankungszeichen seinerseits achtet, fest davon überzeugt, er müsse nun auch sterben. Wie er den Anblick Michels, das sich an ihn Klammern einer aufgegebenen Liebe nur schlecht erträgt. Muss man sich im Angesicht eines Todkranken zusammenreißen? Muss man ihn pflegen, ihm helfen, obwohl man sich dazu nicht imstande fühlt? Gibt es Verpflichtungen aus vergangenen Tagen, obwohl die Beziehung beendet ist?
Streckenweise ist es mir schwer gefallen, weiterzulesen. Zu genau kenne ich die Abläufe im Krankenhaus, die notwendigen Hilfestellungen bei Totkranken.Ich kann aber auch verstehen, dass man davor zurück schreckt, die Veränderung eines vertrauten Menschen einfach nicht erträgt.
Chirbes schreibt recht nüchtern, die Fragen nach Moral, nach der richtigen Verhaltensweise muss der Leser sich schon selbst stellen und beantworten. Vielleicht ist das auch der Grund, warum mich diese Geschichte nicht so berührt hat, wie sie sicherlich hätte können. So habe ich das Buch leider recht gleichmütig zugeklappt. Der Gedanke allerdings, was eine Erkrankung wie AIDS mit den Betroffenen und ihrem Umfeld macht, der hat mich lange verfolgt.
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