1883 ist dieses Romandebüt Guy de Maupassants erschienen. Ein Debüt, das es in sich hat und mit Donnerhall auf diesen ungeheuer begabten Autor aufmerksam machte. Allerdings nicht wegen der wunderbaren Sprache oder der gelungenen Gesamtkomposition, nein, die ungewohnte Freizügigkeit ist es, die teilweise Anstoß erregt.
De Maupassant beschreibt in seinem Erstling ein Frauenleben in höheren Kreisen. Die junge Jeanne kehrt mit siebzehn Jahren zu ihren Eltern zurück. In den Jahren davor hat sie ein strenges und weltabgeschiedenes Leben in einem Kloster geführt. Nun freut sie sich auf ein freieres Leben und hegt recht romantische Ideen, was Männer betrifft. Kaum in dem Landgut angekommen, das sie mit ihren Eltern bewohnen wird, und das gerade erst als Mitgift zurecht gemacht wurde, verliebt sie sich in Julien de Lamare und glaubt ihre Liebe erwidert. Der aus verarmtem Adel stammende Lamare bittet um ihre Hand… und das Elend nimmt seinen Lauf. Und was für ein Elend! Jeanne, die das Leben mit ihren liebenswürdigen und großzügigen Eltern gewohnt ist, muss schnell feststellen, dass ihr Mann weder das eine noch das andere ist. Sie hat einen Geizhals geheiratet, der sie zudem mit anderen Frauen betrügt. Jeanne tröstet sich mit der ungebremsten Liebe zu ihrem gemeinsamen Sohn. Aber auch diese Liebe soll nicht glücklich bleiben…
Maupassant zeigt den freien Fall einer wohlgeborenen Frau, die lebenslange Fremdbestimmung, erst durch die Eltern und das Kloster, wo jegliche Lebenserfahrung fern gehalten und das junge Mädchen grenzenlos naiv entlassen wird, dann durch ihren Mann, dem sie laut Gesetz zu gehorchen und dessen zunehmende Regelbrüche und Verletzungen sie laut Gesellschaft hinzunehmen hat. Und so wird ihr nach und nach jeder Wunsch nach Selbsterfüllung, jeder Funken Lebensfreude ausgetrieben. Jeannes Leben ist gleichförmig, grau und lieblos. Nur ihr Sohn, den sie haltlos verwöhnt, bedeutet ihr noch etwas. Aber auch er wird ihre Liebe nicht erwidern, nur seinen Nutzen daraus ziehen.
Ein derart trostloses Buch so spannend zu schreiben, dass man es nicht mehr aus der Hand legen mag, das ist große Kunst. Maupassant gelingt die Charakterisierung Jeannes mit viel Einfühlungsvermögen und psychologischem Hintergrund. Für einen Mann seiner Zeit eher ungewöhnlich. Denn noch sind Frauenrechte kein großes Thema, unter Napoleon wurden Frauen von den Bürgerrechten ausgeschlossen und einer Gehorsamspflicht unterworfen. Und warum sollte man kritisieren, was zum eigenen Vorteil gereicht? Maupassant tut es trotzdem und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund. Ein grandioser Erstling also, der mich sprachlich und kompositorisch begeistert hat. Wobei mich das im Grunde natürlich wenig verwundert hat. Heute weiß man ja, was die Menschen damals nur ahnen konnten: dass da ein außergewöhnlich guter Autor am Anfang seines Weges steht.
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