»Während der Nacht – ich lag bis zum Morgen schlaflos – faßte ich den Entschluß, Saverio in San Clemente zu besuchen. Vielleicht war sein Geist nicht zerstört, sondern nur gelockert, vielleicht würde er sich mir jetzt offenbaren. In den tröpfelnden Stunden dieser Nacht war die geistige Qual des Nichts-Wissens bis zur Krankheit gewachsen. Aber der Morgen kam, ich war todmüde, es regnete, und ich fand in mir die Kraft nicht, meinen Entschluß auszuführen. Der nächste Tag strahlte in solcher Schönheit, daß ich den Gegenstimmen in mir nachgab, die mich warnten, diese Lebenspracht durch einen Irrenhausbesuch zu verfinstern. Am dritten Morgen standen plötzlich viele Bedenken vor mir: Ich hatte kein Recht, einem Kranken das Rätsel entreißen zu wollen, das er bei gesunden Sinnen ängstlich verbarg. Auch könnte meine Visite schädliche Folgen für ihn haben. Vielleicht war dieser Wahnsinn nur ein Kampfmittel in dem erbitterten Kriege zwischen Saverio, der Contessa und einem mächtigen Ausbeuter. Würde da der Einbruch eines fremden Menschen nicht Unheil stiften? Und wie sollte ich, ein Ahnungsloser und Unbeteiligter, helfen können? Am Sonntag endlich wußte ich, daß ich mich fürchte und Ausreden suche, um den Weg nach San Clemente zu vermeiden.« [Textauszug]
- Veröffentlicht am Montag 23. Dezember 2024 von Boer, K
- ISBN: 9783947618187
- 76 Seiten
- Genre: Belletristik, Hauptwerk vor 1945