Wenn „jegliche Utopie in den Händen stirbt“, so bleibt in den Worten der Poesie festgehalten, was überdauert. Sarkastisch setzt sich Mendes mit der Unerbittlichkeit des heutigen Kapitalismus auseinander. Ironie blitzt auf, wenn er sich gegen die eigene Berufsgruppe richtet und beispielsweise „die Regeln des Protokolls“ karikiert.
Castro Mendes hat den Ruf, ein „poeta doctus“, ein „gelehrter Poet“ zu sein, der die für ihn wichtigsten Werke der Weltliteratur gelesen hat und Zwiesprache mit ihnen und ihren Verfassernhält. Unter den deutschsprachigen sind das vor allem Rilke und Hölderlin, auf die er sich auch in dieser Anthologie expressis verbis bezieht. Was die portugiesische Tradition betrifft, so ist seine Verbundenheit mit der Lyrik von Camões unüberhörbar, etwa in dem ebenfalls in diese Anthologie aufgenommenen Gedicht: Camões auf der ilha de Moçambique: Eine Variation. Unter den Dichtern des ausklingenden neunzehnten und der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts seien der 1926 in Macau verstorbene Camilo Pessanha, sowie, naturalmente, Fernando Pessoa genannt.
Ein poeta doctus zu sein, bedeutet bei Mendes nie, einem rein intellektuellen Spiel zu verfallen. Wenn, wie es in einem seiner Gedichte heißt, die Poesie „dieser enge Weg/zwischen der Einsamkeit und dem Leben“ ist, so ist die ihn umgebende Wirklichkeit auf eindrückliche Weise präsent. Das konkrete Erlebnis wird zum Ausgangspunkt für eine Reflexion über den Zustand der Welt. Immer wieder kehrt er zu den Orten und Leidenschaften seiner Vergangenheit zurück, lässt das, was einmal war und nicht mehr sein kann, Revue passieren und weiß um die Vergeblichkeit allen menschlichen Strebens.
- Veröffentlicht am Montag 4. März 2019 von Leipziger Literaturverlag
- ISBN: 9783866602427
- 168 Seiten
- Genre: Belletristik, Lyrik