wespennest – zeitschrift für brauchbare texte und bilder

nummer 177 Essay. 50 Jahre wespennest

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„Ich kann die Folgen dieses Essays in mir immer noch spüren.“ So würdigt der amerikanische Autor Darryl Pinckney die Wirkung eines um dreißig Jahre älteren schreibenden Kollegen, dem er viel verdankt: James Baldwin. Der Anlass? Ein Rückblick auf Baldwins „Notes of a Native Son“ im Rahmen einer Rede zum fünfzigsten Geburtstag der New York Review of Books, die Martin Scorsese in seinem Dokumentarfilm The 50 year argument feierlich porträtiert.
Was ein Essay wie Baldwins bewirken kann: Befreiung vom orthodoxen Denken – in (identitäts)politischer Hinsicht ebenso wie in ästhetischer. Ketzerei, das sei das innerste Formgesetz des Essays, so sah es T. W. Adorno. Nun, man wisse nicht, was ein Essay sei, so sieht es für die neuere deutschsprachige Literatur Georg Stanitzek.
Spielt aber die „vierte Gattung“, das Denken im Text, die Bindung ans Lesen und an einen „emphatischen Begriff von Intellektualität“ für jüngere Schreibende überhaupt noch eine nennenswerte Rolle?
Über den Essay nachzudenken, heißt auch, über die Medien nachzudenken, in denen er erscheint. Und über den radikalen Wandel, denen diese unterworfen sind. Der Herbstschwerpunkt, mit dem wespennest sein fünfzigjähriges Bestehen feiert, ist Reflexion auf den Essay als Form und zugleich eine Hausdurchsuchung in eigener Sache.