Sieben Leben bergen schon eine Menge Möglichkeiten und eine Menge Geschichten: Tristan Garcia lässt seinen Helden in dem Roman „Das Siebte“ nicht sterben, sondern immer wieder von Neuem beginnen, mal als höherer Beamter, mal als Barrikadenkämpfer, aber auch schon mal als Nobelpreisträger.
Kurz der Start des Plots: Der siebenjährige Erzähler bettet einen verletzten kleinen Vogel in eine Schachtel und pflegt ihn. Als er mitansehen muss, wie ein Hund den Vogel mit einem Biss tötet, überfällt ihn Angst. Wenige Stunden später fließt Blut aus seiner Nase. Damit beginnt das Bluten. Im Pariser Top-Krankenhaus Val de Grâce kann ein junger Arzt den starken Blutfluss stoppen. Um ihm die Angst zu nehmen, nimmt dem Jungen das Versprechen ab, an das ewige Leben zu glauben. Daran hält er sich ein Leben land und fühlt sich auserwählt. Am Ende seines ersten Lebens stirbt er altersschwach im Pflegeheim, aber der Autor lässt ihn wiederauferstehen. Ab jetzt stolpert der namenlose Protagonist von Leben zu Leben. Und muss doch mühsam immer wieder neu anfangen, neu laufen lernen, neu sprechen lernen, sich neu orientieren. Spannend ist, dass der Erzähler jeweils mit neuem Wissen und Bewusstsein startet, also immer mit einem reiferen Bewusstsein. So dass schon das wiedergeborene Kleinkind die Welt mit den Augen eines alten Mannes betrachtet und weiß, dass „alles geht und alles zurück kommt, es aber nichts nützt“.
Tarcia Garcia, der intellektuelle Autor einer jungen französischen Generation, spiegelt damit sicher ein Zeitgefühl wieder. Der Autor selbst nennt sein Debüt einen Antizipationsroman.
Der Faden, der die sieben Leben seiner Hauptfigur zusammenhält, zeigt sich im Wechsel der Lebenskonzepte, in die der Autor ihn hineindichtet. Die sich durchziehende Frage ist: Wie bestimmen berufliche, gesellschaftliche, ja politische Zwänge das Leben des Einzelnen? Ob dieser Zwänge scheint es dem plötzlich sterblich gewordenen Protagonisten am Ende auch nicht schwer zu fallen, sich aus dem Leben zu verabschieden. Denn bei allen Chancen, die einem sieben Leben bieten, kommt Garcia für seinen Held doch zu dem Schluss: „Das Einzige, was zählt, ist das erste Mal“.
Dafür lohnt es sich die Sinne zu schärfen und immer, auch in dem einen Leben, das uns vergönnt ist, mit offenen Augen, Ohren und Bewusstsein zu gehen. Dann gehen einem auch die wunderbaren Schilderungen des Autors Garcia nicht verloren. Als Erzähler beobachtet er unspektakuläres und lässt es mit seinen Worten zu etwas besonderem werden.
Garcia schärft unsere Sinne, indem er uns an sieben Leben seines Helden teilnehmen lässt. Ein Gewinn für jede/n LeserIn.
Weitere Rezensionen lesen: Das Siebte