Theatertexte

In fünf Akten

von

Johann Karl Wezels (1747–1819) Charakterkomödie Eigensinn und Ehrlichkeit (1779) gehört zu den interessantesten und eigenwilligsten Lustspielen, die in der Nachfolge von Lessings Minna von Barnhelm mit der Konstellation eines ungleichen Liebespaars spielen, für das die Probleme mit dem Liebesgeständnis erst richtig anfangen. Wie Lessings Tellheim muss Herrmann gesellschaftliche Vorurteile und das eigene Ehrgefühl außer Acht schlagen, um sich seine Liebe zur Mutter seiner Schülerin einzugestehen. Weit mehr als Minna von Barnhelm muss sich diese, die Gräfin Wildruf, in den Augen ihrer Familie und ihrer adeligen Standesgenossen erniedrigen und dabei noch die Verlobte des Geliebten aus dem Weg räumen – in einer Weise, wie es nicht nur die empfindsamen Zeitgenossen Wezels sondern auch das heutige Publikum noch empören könnte. Ein Reigen adelsstolzer Hohlköpfe, starrsinniger Kriegsveteranen und Narren, die die Narrheit der anderen nicht ertragen können, macht es den beiden nicht leichter und verhindert das Aufkommen allzu behaglicher Mitfühlsamkeit. Wezel, in allen seinen Schriften ein erklärter Gegner der Empfindsamkeit, Einbildungskraft, und kritischer Beobachter eines den eigenen Meinungen und Vorstellungen die Zügel schießen lassenden Subjektivismus, schafft in der Reihe seiner sehr unterschiedlichen Lustspiele ein den formalen Beschränkungen der aristotelischen Tradition verpflichtetes, von innen heraus aber hochexplosives »Gemälde des menschlichen Lebens in seinem ganzen Umfange« (Wezel in der Vorrede zu seinen Lustspielen). Die Maschinerie der Welt entspricht in Wezels Lustspiel der Ökonomie der Komödie, derzufolge im Zusammenhang der Dinge jeder sehen muss, dass er sich einen kleinen Vorteil gegenüber seinen Mitnarren verschafft.