Monographien aus dem Deutschen Institut für Japanstudien

Briefe an seine Mutter: Hiroshima 1936 bis Tokyo/Urawa 1941

von

Dietrich Seckel (1910–2007) war der erste deutsche Ordinarius für Kunstgeschichte Ostasiens. Doch ursprünglich war er Germanist, konnte sich aber eine wissenschaftliche Karriere im nationalsozialistischen Deutschland nicht vorstellen. Deshalb ging er 1936 direkt nach der Promotion als Deutsch-Lektor nach Japan. Über alles, was er in Japan erlebte und was ihn bewegte, berichtete er in langen Briefen seiner Mutter in Berlin: über seinen Unterricht und seine Schüler, seine Kollegen und Bekannten, über andere Deutsche in Japan, über sein Alltagsleben, seine Reisen und seine zunehmende Beschäftigung mit japanischer Kunst. Die Korrespondenz endete mit dem Abbruch der Postverbindung zwischen Japan und Deutschland im Zweiten Weltkrieg. Seckels Briefe sind eine singuläre Quelle. Sie geben interessante Einblicke in das damalige japanische Schulwesen, partiell auch das Hochschulwesen sowie in das japanische Alltagsleben in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre, als es zunehmend vom Krieg in China geprägt wurde. Sie erlauben Einblicke in die dortige kleine deutsche Kolonie, insbesondere in die Rolle von Nationalsozialisten und mancher Emissäre des NS-Regimes, die damals in Japan auftraten, sowie in die Realität der damals angeblich engen deutsch-japanischen Verbundenheit. Singulär sind die Briefe schließlich für die intellektuelle Biographie eines ambitionierten jungen Germanisten, der im nationalsozialistischen Deutschland nicht leben mochte, im Ausland notgedrungen sein Fach wechselte – und in der Kunstgeschichte Ostasiens seine Lebensaufgabe fand.