Merkwürdige Schicksale

des ehemaligen Feldwebels im königl. bayer. 5ten Linien-Infanterie-Regiment vorzüglich im russischen Feldzuge und in der Gefangenschaft, in den Jahren 1812 bis 1814.

von

Seit meinem Ausmarsch aus Nürnberg hatte ich kein Stück Montur mehr gefasst, und die Hemden, die ich zu Kopolniki erhalten, waren mir bei der Gefangennehmung abgenommen worden. Mein körperlicher Zustand war nicht besser, als der meiner Kleider. Mein Gesicht war mit einem dichten Bart verwachsen, worin das Ungeziefer sein Wesen trieb. Mit meinen viertelszolllangen Nägeln hatte ich mir die Haut überall zerkratzt, so dass ich selbst im Gesicht ganz wund und blutrünstig war. So schleppten wir alle uns wie lebendige Bilder des Jammers und Elends herum. Oberleutnant Schindling war so zerlumpt, dass er die verborgensten Teile des Körpers kaum mehr bedecken konnte. Dieses Elend lichtete auch unsere Anzahl mit großer Schnelligkeit und täglich wurden 10 bis 15 Tote von den Bauern auf kleinen Wägelchen hinaus in die Wälder gefahren. Einst trieb uns die Neugier, nachzuspähen, wohin, unsere abgeschiedenen Leidensgefährten wohl gebracht würden. Wir folgten von ferne den Wagen, und waren nicht wenig entsetzt, als wir auf einem freien Platz tief im Walde einen hohen Haufen von Toten erblickten, die alle nackt ausgezogen waren. Ein schaudererregender Anblick. Alle, die den Winter über gestorben waren, lagen hier unbedeckt, und wurden erst im Frühjahr in große Gruben geworfen und notdürftig mit Erde bedeckt, so dass Ellenbogen, Hirnschalen, und Knie oft noch aus der Erde hervorragten. . .