darstellen. Stattdessen verwandelt sich die Sprache in Aichingers Augen in eine Unperson, in eine betont sächliche Unmenschlichkeit. Die Accessoires erscheinen wichtiger als die Sprachsache selbst: „Meine Sprache hatte früher einen lila Schal, aber er ist weg.“
Gleichwohl besteht trotz aller Entfremdung eine nahezu schicksalhafte Restbindung: Nur schwer kann Aichinger das besitzanzeigende Fürwort aufgeben. Wann immer das Wort „Sprache“ fällt, handelt es sich um „meine“ Sprache. Wer sich freilich solchermaßen mit der Sprache identifiziert, ihren Stärken und, wie gesehen, flagranten Schwächen, der erfährt auch den Sprachverfall als eine Art Selbstentfremdung. Mehr noch: die vermeintlich narzißtische condition d’écrire stellt sich als eine Eigenschaft der Sprache heraus: „Ich habe sie (die Sprache, R.G.) im Verdacht, daß ihr nur an sich selbst legt. Oder nichts an sich selbst. Oder beides, das trifft sich.“
Die Eigenwilligkeit der Sprache ruft im Schreibenden Mitleid mit ihr hervor, weil er erkennt, dass sie unter Zwang steht. Aber „man wird mit
- Veröffentlicht am Montag 6. September 2021 von Löcker Verlag
- ISBN: 9783990981085
- 102 Seiten
- Genre: Belletristik, Essays, Feuilleton, Interviews, Literaturkritik