Österreichische Gegenwartsliteratur

Roman

von

Leo Kmetko hat genug vom Literaturbetrieb und zieht sich mit seinem Terrier Dalai in sein Landhaus in Steining am Steininger See zurück, um hier seine Karriere mit einem Kochbuch ausklingen zu lassen. Als er eines Morgens „Polarlicht überm Steininger See wabern“ sieht, ist es vorbei mit der melancholischen Idylle. Angeblich hat hier schon einmal, und zwar vor exakt 75 Jahren, Polarlicht geleuchtet. Anderntags war die deutsche Wehrmacht einmarschiert. Für den notorischen Abschweifer Leo die Gelegenheit, Steinings Geschichte und Kulturleben ab Ende 19. Jahrhundert in Überlieferungen, Fakten, eigenen Erinnerungen und zahllosen Abschweifungen wieder aufleben zu lassen. Leo ist hier, wie es heißt, zweitheimisch, und das seit den 1960er-Jahren, kennt die Steininger also von Kindheitstagen an. Das Phänomen der „Sommerfrische“, vor allem im Zusammenhang mit der Nachkriegszeit, betrachtet er aus einem sehr persönlichen Blickwinkel. Als dann noch der Filmemacher Mario Rubinig bei ihm auftaucht, um eine Dokumentation über „Leo Kmetko, den bedeutendsten Abschweifer der Weltliteratur“, zu drehen, wird aus der verloren gegangenen Idylle sogar noch Stress und Arbeit. Leo und Mario sind aber grundverschiedene Cha-raktere. Mario lässt sich gerne bedienen, schlägt sich üblicherweise die Nächte um die Ohren und ist ein pathologischer Casanova. Alles nicht so einfach im 829-Seelen-Dorf Steining, zumal in der Vorsaison. Trotzdem kommt es zur filmischen Zusammenarbeit, und aus der Doku wird eine Art alternativer Heimatfilm. Alternativ deshalb, weil hier eine Idylle enttarnt und weil Mario die organisatorisch und technisch extrem aufwendige Filmerei genauso aus dem Hals hängt wie Leo der Literaturbetrieb. Highlights des Films sind u.a. ein „action-painting“ von Leos Nachbarn, dem international anerkannten Mal-Genie Bernhard Waberer, ein Waldbrand am Gebirge, der sogar Leos Landhaus bedroht, ein dörfliches Leichenbegängnis, das von einem sintflutartigen Wolkenbruch, der zwar den Waldbrand löscht, dafür aber auch Überflutungen und Murenabgänge auslöst, mehr als nur gestört wird, und die kuriose Beziehung des Terriers Dalai zu einer ebenfalls in die Jahre gekommenen Füchsin. In den „Abschweifungen“ erzählt Leo von namhaften Künstlern, die in Steining tätig gewesen waren, über den Niedergang der Landwirtschaft, die Tourismuskrise, die Pleite des Dorfwirten und die Auswüchse der Arbeitslosigkeit von Vollerwerbsbauern (Känguru- und Zebra-Zucht).