Mainzer Reihe. Neue Folge

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Der Erzähler Ernst Kreuder, 1953 mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet, ist nahezu in Vergessenheit geraten. Ihn gilt es wiederzuentdecken. Mit seiner Erzählung ‚Die Gesellschaft vom Dachboden‘ gehörte er zu den wichtigsten Nachkriegsautoren. Diese neue Ausgabe, die erstmals Geschichten aus fast 50 Jahren vereint, zeigt Kreuders Talent für die short story, für Grotesken, gespenstische Szenen und jähe Volten. In der Isolation des Dritten Reiches dienten diese Texte als Muster für seine Geläufigkeit im Fabulieren, für seinen ‚Geschichtenhandel‘, mit dem er sein Überleben in der Inneren Emigration sicherte und sich der Propaganda und Ideologie des Nationalsozialismus entzog. In den Nachkriegserzählungen wird Kreuders Abstand zur ‚Elendsliteratur‘ mit einem realistischen Blick verbunden; auch die Schilderung von Heimkehrern und Entwurzelten, der Zweifel an den Werten und der Unwirtlichkeit der Verhältnisse gehören zu diesem Bestand. Die Geschichten kommen allesamt ohne Pointe aus, setzen aber gegen das erlebte Desaster einen poetischen Raum. Dieses imaginative Konzept, das hinter sich einen sehr realistischen Schmerz über die Lage weiß, entfernt sich aber spielerisch von ihm – getreu einem von Kafka entlehnten Motto: ‚Wirkliche Realität ist immer unrealistisch.‘