Marie ist erst 13 Jahre alt, als ihre Eltern sie von zuhause fortschicken: „Mariechen, du weißt ja, dich nimmt niemand zur Frau und ich werde dich nicht immer ernähren können. Geh unter Leute und biete deine Dienste als Kindermädchen oder als Haushaltshilfe an. Wenn du bei jemandem unterkommst, hast du ein Dach über dem Kopf und warmes Essen“ – mit diesen Worten verabschiedet ihr Vater Jakob Berg sie Ostern 1918 hinaus in die harte Realität Sibiriens. Marie ist seit frühester Kindheit verkrüppelt: Ihre Füße sind nach einem Unfall missgestaltet und sie benutzt zum Gehen selbst gebastelte Krücken, die Schwielen in ihren Achseln scheuern. Marie kann backen, kochen, spinnen, stricken und nähen und verdingt sich auf Bauernhöfen und in Großfamilien. So erlebt sie erst die bewegten Kriegs- und Nachkriegszeiten, in denen die Rote und die Weiße Armee in Russland wüten, und später auch den Zweiten Weltkrieg. In nüchterner und außerordentlich authentischer Sprache wird das anrührende Schicksal der Frau beschrieben: Der Leser begleitet sie auf ihrem Weg durch die Dörfer Sibiriens, ihre Arbeit als Köchin und Kinderfrau, die schrecklichen Zeiten der Typhusepidemie und die Härten des Kolchose-Lebens. Ihre Vita ist exemplarisch für zahlreiche Russlanddeutsche, deren Nachfahren seit den 1970-er Jahren nach Deutschland kamen.
„Erwarte nicht von Freunden, dass sie das für dich tun, was du selbst tun kannst“ – dieses Motto stellt die Autorin dem Buch voran und es scheint Marie lebenslang Kraft gegeben zu haben. Bis ins hohe Alter bleibt sie freundlich und hilfsbereit, auch wenn der Wunsch nach einer eigenen Familie ihr bis zuletzt verwehrt bleibt. „Das Mädchen, das niemals spielen durfte“ ist ein Stück Zeitgeschichte.
- Veröffentlicht am Donnerstag 11. August 2016 von Tweeback Verlag
- ISBN: 9783944985060
- 191 Seiten
- Genre: Belletristik, Erzählende Literatur