Welche Ausprägung von Individualität! Acht junge Autorinnen, die sich das Schreiben zu eigen gemacht haben, die sich – so Marie Theres Meseck – „in der Mitte der Unendlichkeit … mit den Worten“ treffen, die sie verfassen. Jede von ihnen findet bei diesem Versuch, eigene Gefühle und Gedanken zu reflektieren, einen ganz eigenen Stil aus, an traditionellen Formen orientiert, in der Slam-Poetry verhaftet, eher an kurze Prosaformen anknüpfend oder spielerisch erzählerisch, erlebnisorientiert.
Julia-Marie Becksvoort
Ein kleiner Blumenregen
Rieche die Nuancen
Liege inmitten von Blumenmassen
Lasse die Gerüche wirken
Strecke eine Hand aus
Und fühle die Blätter
Greifbar
Wie man sich Träume vorstellt
Federleicht
Sie führen mich weg
aus der Realität
lassen mich schwer wieder los
Meike Büscher
Triebtäter
Keks, du liegst da
und wirst von niemandem beachtet.
Du schaust mich traurig an,
aber ich kann nicht anders.
Dein Leben wird bald zu Ende sein,
denn ich werde dich aufessen.
Ob du willst oder nicht,
das ist mir egal,
denn ich habe Hunger.
Ich kann nicht anders,
und deswegen ist es mit dir vorbei.
Esther Faulhaber
Vergessene Kinder
Kinder sind wie vergessen,
von einem Fluch besessen,
sind unsichtbar
und unhörbar,
sie können weinen
oder lachen,
doch keiner
kann da etwas machen,
wir hör’n sie nicht,
auch wenn sie schreien –
können sie uns dies
je verzeihen?
Maren Faulhaber
Blatthelfer
Allein schaffe ich es nicht!
Ich brauche Hilfe.
Hilfe vor denen,
die die Luft verschmutzen,
mein Herz abholzen.
Ohne eure Hilfe
kann ich bald
nichts mehr
für euch tun!
Michaela Kalbrunner
Schlussfolgerung
Traurigkeit ist wie der kalte, nasse Regen –
Trüb und unglücklich grau.
Glücklich sein ist wie der Sonnenschein –
die warme Wärme der Sonne.
Nimm dein Leben in die Hand
und genieße
das Glück.
Marie-Theres Meseck
Nothing compares
Nichts ist vergleichbar
mit dem liebenden Blick eines Menschen,
der nur dir gilt.
Nichts ist vergleichbar
mit Tränen des Glücks.
Nichts ist vergleichbar.
Dieses Gefühl ist so hohes Glück.
Es wäre nicht möglich,
auch nur einen Vergleich zu finden,
der das eigene Erfahren dieses Gefühls
unwert macht.
Louisa Pietruschka
Die Philosophie des kritischen Zustands
Okay, uns geht’s noch gut.
Wenn wir anfangen,
in der Öffentlichkeit
mit uns selbst zu
reden, wird’s kritisch.
Zu Hause ist okay.
Marie Julie Rahenbrock
Dunkle Ruhe
Weiche, dunkle Wellen,
in die sich meine Finger graben.
Kühle Glätte,
die auf meiner Haut ruht.
Weiche Schwere,
die mich umhüllt.
Angeschmiegte Wärme,
die mich ruft und lockt,
dorthin, wo ich sein will,
dorthin, wo ich ich selbst und doch jemand anders bin.
Dorthin.
Unnachgiebige Schwerelosigkeit unter mir.
Undurchsichtige Dunkelheit um mich.
Ruhe.
In mir.
Jessica Schoo
Wie man so denkt
Ich sah dich aus der Ferne und dachte mir.
. vielleicht weiß sie nicht, wie ihre Zukunft aussehen soll;
. vielleicht geht bei ihr alles den Bach herunter;
. vielleicht kann sie nie ihren Träumen nachgehen;
. vielleicht hat sie ihre Kindersachen in Tüten verpackt und muss erwachsen werden.
Ich dachte darüber nach, wie oft das Wort ‚vielleicht‘ durch meinen Kopf schwirrte. Ich ging zu dir hinüber
und fragte dich, was dir passiert war, dass du so weinen musstest. Du entgegnetest mir einen Satz, den ich niemals vergessen werde:
„Vielleicht ist heute der schönste Tag meines Lebens.“
Dann bist du gegangen.
‚Vielleicht‘ – ein großes Wort.
- Veröffentlicht am Freitag 8. November 2013 von Geest-Verlag
- ISBN: 9783866854437
- 216 Seiten
- Genre: Belletristik, Erzählende Literatur