Die Tochter des Meeres

von

Im Jahr 1859 veröffentlicht Rosalía de Castro (1837-1885) die Novelle „Die Tochter des Meeres“. Sie widmet ihr erstes erzählerisches Werk ihrem Ehemann Manuel Murguía, dem seinerzeit schon berühmten Schriftsteller, dessen Ruhm sie bald überflügeln wird. Die 21jährige Schriftstellerin stellt uns hier das archaische Leben an der sagenumwobenen Todesküste Galiciens, dem nordwestlichsten Teil Spaniens, in einer romantischen Handlung vor, die Elemente des Magischen Realismus in seiner frühen Form antizipiert. Esperanza ist die jugendliche Protagonistin des Geschehens. Sie ist die Tochter des Meeres, denn sie kam aus dem Meer in das Dorf Muxía, nachdem sie von den Fischern des Ortes vor dem sicheren Tod in den Wellen bewahrt worden war. Das Rätsel ihrer Herkunft wird sich erst nach und nach auflösen. Die Dorfbewohner Muxías, Teresa, Candora, Ángela, der Pirat Alberto Ansot und sein Kontrahent Fausto, bilden ein schillerndes Mosaik, welches Licht in das dunkle Geheimnis des schönen Waisenkinds bringt. Indem wir in das ländliche Leben Muxías eindringen, werden wir in die geheimnisvolle Welt Rosalías hineingezogen, die von Schatten und geisterhaften Erscheinungen erschüttert wird… Ist der diabolische Alberto Ansot nicht nur Pirat, Mörder und Verführer, sondern auch ein inzestuöser Vergewaltiger? Der Aufstieg und Niedergang, das Glück und Unglück seiner Familie werden von seinen fatalistischen Taten geprägt, welche letztendlich all die Frauen, die seinen Weg kreuzen, ins Verderben stürzen werden, da er sie gefügig macht oder sie seinem Willen und Charme unterliegen. Hoffnungslosigkeit, Wahnsinn und Mord prägen das düstere Bild Rosalía de Castros geliebter Heimat, deren eindrucksvolle Landschaft sie so gefühlvoll beschreibt. Muxía wird zum romantischen Macondo Rosalías, das in Traurigkeit versinkt und das sich schließlich aus den Nebeln der Vergangenheit erheben wird, um als letztes Ziel nur noch den Tod vor Augen zu haben.