Wo sich Gott und die Welt traf – Westberlin

Zum 50. Jahrestag - 13. August 1961 Zeitzeugen erinnern sich der ersten Jahre nach dem Mauerbau

von

Politiker und Arbeitgeberverbände in der Bundesrepublik riefen zur Solidarität mit West-Berlin auf: Westdeutsche Facharbeiter sollten sich in West-Berlin ansiedeln. Der Deutsche Bundesju-gendring appellierte an Jungfacharbeiter im Alter von 20 bis 25 Jahren mit abgeschlossener Ausbildung, ein Jahr lang in West-Berliner Betrieben zu arbeiten.
Die „Welt am Sonntag“ (WamS) bilanzierte im Februar 1962, die Aktion sei ein großer Erfolg geworden; monatlich 1500 junge Westdeutsche hätten beantragt, nach West-Berlin überzu-siedeln. Probleme bereiteten dagegen die offenen Stellen in der Damen-Oberbekleidungsindustrie. Beim Landesarbeitsamt, so der WamS-Bericht, werde eingeräumt: „Junge Frauen nach Berlin zu holen, ist für alle ein heißes Eisen. Nicht zu Unrecht haben viele Eltern Bedenken, ihre Töchter allein in die große Stadt zu schicken.“
Bis Dezember 1961 waren lediglich 600 Westdeutsche tatsäch-lich in West-Berlin eingetroffen, darunter Jenny Schon. Sie blieb bis heute. Faszinierende Geschichten hat sie in diesem Buch versammelt. Schon und andere haben die Halbstadt zu dem gemacht, was sie über fast drei Jahrzehnte war: eine glitzernde Insel, Zufluchtsort, ja, ein Mythos – nicht nur für Wehrdienst-unwillige oder Aussteiger. Sie trotzten der widernatürlichen Teilung einer gewachsenen Stadt. Im November 1989 wurden sie mit der historischen Stunde belohnt und begrüßten die mutigen Ost-Berliner an der Bornholmer Straße, an der Sonnenallee und natürlich auf dem Kurfürstendamm. Berlin war wieder Berlin.