Rabenmutter sein, das ist nicht schwer

Erzählungen und Gedichte

von

Mit Beiträgen von Autoren aus der Bundesrepublik, Frankreich
und Österreich sowie einem bundesweiten Adressverzeichnis
von Beratungsstellen für Frauen.
Mit Beiträgen vertreten sind: Monika-Katharina Böss, Carmen Caputo, Birgit Erwin, Marion Hallbauer, Simon Herzhoff, Doris Hüls, Jana Jürß, Rita Kasumu, Birgit Kattelmann, Myriam Keil, Olga Komlyk, Siegried Konstantin, Cordula Krause, Marc Lehmann, Diana Lühmann, Artur Nickel, Katarina Niksic, Marianne Pumb, Beate Reckmann, Ellen Roemer, Nicole Schmidt, Silvana Elisabeth Schneider, Nicole Schnetzke, Christine Schöning, Katharina Seidel, Andrea Stift, Helene Tesche, Franz Xaver Unertl, Christina Werres-Metz, Magrita Winterstein, Wolfgang Wurm.

Die vorliegende Sammlung von Erzählungen und Gedichten entstand als Auswahl aus einem bundesweiten Schreibwettbewerb zum Thema ‘Rabenmütter’, zu dem die kdf, Regionalverband Kempen-Viersen, zusammen mit dem Geest-Verlag aufgerufen hatte. Die Vielfalt der eingegangenen Beiträge verdeutlicht, welche Bedeutung das Thema auch heute noch in der Bundesrepublik besitzt. Mütter können den gesellschaftlichen und familiären Ansprüchen an die Mutterrolle nicht gerecht werden und geraten somit rasch in den Ruf einer Rabenmutter.
Dieses Buch kann und will keine Lösungsvorschläge bieten, kann den Betroffenen nur das Gefühl vermitteln, dass sie sich nicht allein in der Situation der Rabenmutter befinden, kann das damit verbundene Leid auch für betroffene Väter und Kinder schildern.
zum Inhalt: Die Veränderung der materiellen Rahmenbedingungen in der Gesellschaft des 20. und 21. Jahrhunderts brachte eine Entwicklung neuer Familienstrukturen mit sich. Damit einher ging eine Veränderung der gesellschaftlichen, aber auch der familiären Rolle der Frau. Die Nur-Hausfrauenrolle löste sich auf. Frauen waren nun auch als Arbeitskräfte und als Konsumentinnen gefragt.
Dieser materiellen Veränderung hinkte und hinkt die geistige Entwicklung bis heute hinterher. Frau wird auch aktuell noch weitestgehend nur als Mutter definiert. De facto hat sie aber längst neue Rollen übernommen: Sie trägt mit ihrem Einkommen als Arbeitskraft oft wesentlich zum Lebensunterhalt der Familie bei, spielt gegenüber früheren Jahrhunderten eine völlig veränderte Rolle als Sexualpartnerin und bekommt dazu in immer stärkerem Maße gesellschaftliche Erziehungsaufgaben übertragen, prägt zudem als eigenständige Persönlichkeit eigene Wünsche und Erwartungen aus.
In dieser Anthologie stellen diese vielfältigen Rollenerwartungen den Rahmen dar, in dem die Erzählungen und Gedichte über Mütter spielen. Dabei wird deutlich, dass immer dann, wenn nur eine der Erwartungen an die Rolle ‚Mutter’ nicht von ihr erfüllt wird, die Titulierung als Rabenmutter, in der deutschen Sprache der Inbegriff für eine lieblose Mutter, nicht weit ist. Ein unlösbarer Zwiespalt für Frauen, denn die Vielzahl der Erwartungen sind nicht zu befriedigen, die Rollenkonflikte nicht auflösbar.
Und noch eines wird in den Beiträgen deutlich. Unter der Stigmatisierung als Rabenmütter leiden nicht nur die Mütter. Kinder und Väter solcher ‚Rabenmütter’ werden gleichfalls als ‚fehlerhaft’ angesehen und sehen sich selber als solche an.
Natürlich kann dieses Buch keine gesellschaftlichen Lösungen anbieten. Es kann nur dazu beitragen, die Vielschichtigkeit des Problems aufzuzeigen, kann vor allem auch Frauen bewusst machen, dass ihr ‚Rabenmuttersein’ kein individuelles Fehlverhalten ist, wenn die Ebene des humanitären Handelns nicht verlassen wird. Der Nachsatz erscheint notwendig, da uns im Buch auch Erzählungen begegnen, in denen diese Grenzen der Humanität radikal zu Gunsten individuellen Erfolgs- oder Lustgewinns verletzt werden.
Die im letzten Beitrag des Buches enthaltene Aufforderung der Autorin Silvana Elisabeth Schneider ‚Lasst uns Rabenmütter sein’ deutet allerdings eine auch in anderen Beiträgen erkennbare Haltung an, die zumindest im Bewusstsein von Frauen und Müttern eine Hilfe darstellt. Die Verhaltensweisen der Rabenvögel werden auf ihre tatsächliche Inhaltlichkeit hin betrachtet und positiv bewertet, da sie den Rabenkindern, der Rabenmutter selbst und auch dem Rabenvater helfen, eigene Persönlichkeit auszuprägen und zu behalten. Dass dabei die wesentliche Verantwortung und Triebkraft des Handelns bei der Rabenmutter liegt, entspricht der besonderen Rolle, die Frauen in der gesellschaftlichen Entwicklung heute spielen, ohne dass sie dafür die entsprechende gesellschaftliche und auch familiäre Anerkennung erhalten