Die Nase des Sultans

Karikaturen aus der Türkei

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Es fing alles mit einer Nase an. Der von Sultan Abdülhamit II. (1842 – 1918) nämlich. Der hasste Anspielungen auf sein formidables Riechorgan derart, dass er selbst das Wort Nase durch die Zensur komplett verbieten ließ. Eine Steilvorlage für die Meister des spitzen Stiftes. Die Nase des Sultans avancierte zum meistgezeichneten Sympol gegen Zensur und absolutistische Herrschaft im untergehenden Osmanischen Reich.
Sultan Abdülhamit sollte nicht der letzte türkische Machthaber sein, der unter dem Spott der Zeichner zu leiden hatte. Der amtierende Ministerpräsident Erdogan schickte die Justiz vor, weil er sich beleidigt fühlte. Die Beleidigungsparagraphen des Strafgesetzbuches sind für Cartoonisten immer noch ein Problem.
Dennoch oder gerade deswegen nimmt die türkische Satire eine zentrale Stellung innerhalb der kritischen Publikationen ein. Aufs Korn genommen wird so ziemlich alles, was sich sonst in der Tagespresse nur selten findet: die Rückständigkeit der Dörfler, das übermächtige Militär, autoritäre Familienstrukturen, prügelnde Polizisten, mafiöse Politiker, Gewalt gegen Frauen, Kinder und Minderheiten, sich wandelnde Moralvorstellungen, Cyberwahn, Fundamentalisten und Faschisten, die Orientalismen des Westens und die Stereotypen über den Westen. Und natürlich ist das Bush-Bashing ungebremst beliebt. An Bissigkeit und Radikalität lässt sich die türkische Karikaturistenszene nicht übertreffen. Der gesellschaftliche Diskurs wird maßgeblich über die wöchentlich oder monatlich erscheinenden Satireblätter wie die Kolumnen und Karikaturen der Tageszeitungen geprägt.