Der Türmer erzählt Görlitzer Sagen

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Bis heute sind die aus der volkstümlichen mündlichen Überlieferung stammenden Erzählungen mit ihren zwischen Realität und Phantasie schwebenden außergewöhnlichen Begebenheiten sowohl für Kinder wie auch Erwachsende bildend, unterhaltsam und identitätsstiftend. Vor allem nach dem Inferno des Zweiten Weltkrieges, der Entwurzelung vieler heimatlos gewordener Menschen und der erneuten Wandlung fast aller gesellschaftlicher Werte ist die Hinwendung zu den über Jahrhunderte im Kern unveränderten Überlieferungen mit ihrer Wertekonstanz für viele Alt- und Neu-Görlitzer ein innerer Haltepunkt.
1954 erscheint als eine Perle Görlitzer Sagenausgaben „Der Türmer erzählt Görlitzer Sagen“ von Eberhard Wolfgang Giese (1884–1968). Mit ihm hat die Görlitzer Sagenliteratur einen besonders kultur- und geschichtskompetenten Herausgeber und Bearbeiter gefunden, der sich seit 1928 als Stadtdirektor und nach dem Zweiten Weltkrieg als Stadtrat sowie Vorsitzender des örtlichen Kulturbundes um Görlitz verdient gemacht hat, bevor er – wie bereits unter den Nazis – erneut Opfer der Maßregelungen durch die neuen Machthaber wird.
Die Görlitzer Kinder der Nachkriegszeit Barbara und Katharina Opitz sowie Ronny Kabus sind – gleich vielen anderen Altersgenossen unserer Heimatstadt – mit dem Gieseschen Sagenbuch aufgewachsen, haben Eberhard W. Giese als langjährigen guten Freund der Familie Opitz persönlich kennen und schätzen gelernt. Sie haben nun das mit den Graphiken des Görlitzer Künstlers Herbert Nitsche (1918–2005) versehene Buch neu herausgebracht. Zeit- und erkenntnisbedingte Überarbeitungen hat der Historiker Dr. Ronny Kabus vorgenommen.