Franz Kafka, Gesammelte Werke in der Fassung der Handschrift (Taschenbuchausgabe)

Roman

von

Im August 1914 – die großen Nationen Europas hatten einander gerade den Krieg erklärt – begann Franz Kafka seinen Roman ›Der Proceß‹ zu schreiben. Die Zeitumstände machten es ihm schwer. Verzweiflung und Mutlosigkeit begleiteten ihn bei der Niederschrift, als hätte er aufgrund der Geschehnisse der eigenen Epoche die der kommenden Jahrzehnte bereits vorausgeahnt. Am 13. September 1914 notierte er im Tagebuch: „Wieder kaum zwei Seiten. Zuerst dachte ich, die Traurigkeit über die österreichischen Niederlagen und die Angst vor der Zukunft (eine Angst, die mir im Grunde lächerlich und infam zugleich vorkommt) werden mich überhaupt am Schreiben hindern.“ Aber gerade der Einfluß der politischen Ereignisse auf die Entstehung dieses Romans hat ihn nahezu zu einer Vision unseres Jahrhunderts werden lassen, in dem „richtiges Auffassen einer Sache und Mißverstehen der gleichen Sache ein-ander nicht vollständig ausschließen“, wie es dort in den Erklärungen zur ›Türhüter‹-Legende heißt. „Der Roman erscheint hier in der Textgestalt der Handschrift. Da sie niemals von Kafka für den Druck durchgesehen und überarbeitet wurde, weist sie auch einige inhaltliche Un-stimmigkeiten auf: es wurde nicht versucht, diese im vermeintlichen Sinne des Autors zu berichtigen. Ebensowenig wurde versucht, die vielfältigen Besonderheiten der Ausdrucksweise (z.B. paar Schritte) oder der Schreibung (z.B. ›Teater‹) der schriftsprachlichen Norm anzugleichen; auch wurde Kafkas spärliche und mitunter eigenwillige Zeichensetzung – die in rhetorischer Hinsicht durchaus ihren guten Sinn hat – nur dort emendiert, wo sie die Lesbarkeit unnötig erschwert hätte.“ Malcolm Pasley