Giulios Schlaf

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Giulios Schlaf erzählt von einem jungen Mann, der nach Rom zurückkommt, in die Stadt, die er als Jugendlicher zusammen mit seinen Eltern verlassen hat. In Rom beginnt die Zeit der Sommerhitze, und während die Hauptstadt sich entleert, vollzieht sich das Ritual der letzten Präsidentschaftswahlen der Zweiten Republik. Giulio erinnert sich an einen Nachmittag am Meer, an dem er Gabriella zum ersten Mal begegnet war. Die zufällige Begegnung liegt mehr als zehn Jahre zurück, doch das uneingelöste erotische Versprechen jenes Augenblicks hat Giulio nie mehr losgelassen. Es gelingt ihm, Gabriella, die längst eine eigene Familie hat, wiederzufinden. Er will an derselben Stelle am Meer demselben Augenblick jenes vollkommene Ende geben, das in seiner Erinnerung noch fehlt.
Rudolph Julas Roman ist ganz aus der Sicht seiner Hauptfigur, Giulio erzählt, der das Gefühl sonntäglicher Leichtigkeit schätzt, in der das Geheimnis und die Oberfläche der Dinge identisch werden. Giulio ist ohne Ehrgeiz, ein vollkommen unheldenhafter Flaneur der neunziger Jahre, der hellsichtig und absichtslos, wie in einem Tagtraum, durch sein Leben streift.
Das Unbegreifliche bezaubert ihn. Er fragt sich, ob Pflanzen heimlich denken, verirrt sich in Gedanken in den elftausend Zimmern des vatikanischen Palastes und liest Bücher über die Entstehung des Universums. Er staunt über das geordnete Kreisen der Planeten gleichermassen wie über das Ewigwiederkehrende in der italienischen Politik. Er ist ebenso fasziniert von den Ritualen des Autoverkehrs wie von der Belanglosigkeit eines römischen Partygesprächs. Er liebt Fernsehserien, löst leidenschaftlich gerne Kreuzworträtsel und mag es, wenn die Tage sich ähnlich sind. Nichts stimmt ihn so gelassen und heiter, wie das Wunder der Gewöhnlichkeit.
Mit einer schwerelosen Sprache erzählt Giulios Schlaf von einer sanften Obsession, von der Sehnsucht nach der ewigen Wiederholung der Dinge, nach der Aufhebung der Vergänglichkeit.
«Der erste Roman des Autors von Conquest entstand vor etwa 5 Jahren während eines Aufenthaltes im Istituto Svizzero in Rom. Giulio, ‹der es liebte, während des Tages zu schlafen›, ist ein Antiheld, wie wir ihn in verschiedenen Varianten bereits in den Erzählungen von Conquest vorfinden. Tor oder Engel? Fragt man sich des öfteren, oder sogar: Tier oder Pflanze? ‹Vielleicht denken sie. Heimlich.› Den in Kreuzworträtseln gesuchten Schmetterlingsblütlern gilt Giulios Mutmassungen: sie lässt sich auf ihn und seine römischen Freunde ummünzen. Sie macht diesen mit nachtwandlerischer und schon fast schmerzvoller Leichtigkeit erzählten Roman nicht nur aufregend, sondern verstörend.»
(Bruno Steiger, NZZ)