Literatinnen um 1900

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Cornelie Reimann ist eine Schriftstellerin auf der Höhe ihres Erfolgs: Sie streitet engagiert für ein neues Selbstbild und -bewusstsein der Frauen, liest in ausverkauften Sälen und genießt internationale Anerkennung. Nun ist sie guter Hoffnung, hat aber nicht die Absicht zu heiraten. Im Deutschland des Jahres 1909 bedeutet diese Entscheidung eine Fahrkarte ins gesellschaftliche Abseits, doch die junge Frau geht diesen Weg ganz bewusst. Er führt sie in eines der anonymen Häuser weit weg von Familie und sozialem Umfeld, in dem „gefallene Mädchen“ ihre Niederkunft erwarten, um ihren Eltern die Schande des unehelichen Kindes zu ersparen. Cornelie Reimann bekommt dort nicht nur ihre Tochter, sondern auch tiefe Einblicke in eine andere gesellschaftliche Realität. Und sie erarbeitet sich ein neues Verhältnis zu sich selbst.
Gabriele Reuter (1859–1941) kritisiert in Das Tränenhaus (1909) die Doppelmoral der männlich dominierten Wilhelminischen Gesellschaft im Umgang mit den „Mutterfreuden“, die moralische Korrumpiertheit, die daraus entsteht, und die Weigerung dieser Gesellschaft, Frauen ein selbstbestimmtes Leben auf der Grundlage einer selbst erworbenen Kultur- und Herzensbildung zu gestatten.