Georg Herwegh: Werke und Briefe

Kritische und kommentierte Gesamtausgabe

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Der zweite Lyrikband in der Ausgabe der Werke und Briefe Herweghs umfaßt die von ihm selbst veröffentlichten Gedichte in der Zeit von 1849 bis zu seinem Tode 1875 sowie sämtliche Nachlaßgedichte und die hinterlassenen, bis jetzt nur zum Teil publizierten Epigramme, Xenien, Aphorismen und Reflexionen. Ein ausführlicher Apparateteil ist auf editionsrelevanten Erläuterungen zu den Texten konzentriert und faßt die wichtigsten entstehungs-, überlieferungs- und wirkungsgeschichtlichen Fakten und Zusammenhänge sowie Anmerkungen zum Textverständnis zusammen.

Wer sich für Herweghs Gedichte nach den „Gedichten eines Lebendigen“ interessierte, war bis in die Gegenwart auf die „Neuen Gedichte“ verwiesen, die 1877 in Zürich und zugleich in Milwaukee (Wisconsin) erschienen. Hermann Tardel hat sie 1909 in „Herweghs Werke, in drei Teilen“ unverändert aufgenommen, und auch Bruno Kaiser dienten sie in „Der Freiheit eine Gasse“ 1948 noch öfter als Grundlage. Dieser Sachverhalt soll die Bedeutung der Publikation von 1877 nicht schmälern. In einer Zeit, in der man Herwegh in nicht überbietbarer Gehässigkeit und Verachtung gegenübertrat, war es schon ein Verdienst, wenn die völlig verstreuten Gedichte gesammelt, veröffentlicht und vor dem Vergessen bewahrt wurden. Dennoch ist diese Publikation im ganzen unzulänglich. Die Herausgeber haben sich Eingriffe in den Text erlaubt, ohne sie zu kennzeichnen; einige bereits gedruckte Gedichte fehlen; Nachlaßgedichte sind nicht als solche markiert; v.a. fehlen Erläuterungen der politischen und gesellschaftlichen Hintergründe sowie jegliche Quellenangeben.

Im Februar 1871 hat Herwegh sein vielzitiertes Gedicht „Epilog zum Kriege“ veröffentlicht, dort finden sich die drei Zeilen: „Du bist im ruhmgekrönten Morden / Das erste Land der Welt geworden: / Germania, mir graut vor Dir!“ Man ist gut beraten, ob dessen aus diesem Dichter nicht einen Propheten zu machen. Aber auch umgekehrt: Wer immer sich mit dem Geist des Wilhelminischen Kaiserreiches beschäftigt und nicht umhin kommt, diesem Ungeist eine Mitschuld an der Katastrophe von 1914 zuzuschreiben, der muß Herwegh den ihm gebührenden Platz in der deutschen Literatur und Geschichte zuweisen und dadurch beitragen, daß das „Trauerspiel“ (Walter Pape) um die Rezeption seines Werkes ein Ende findet.