Im Verlorenen sich neu finden

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Wie tröstet man Menschen in ihrer Trauer? Verlust kann Neubeginn bedeuten. Doch wer ist in der Lage, eine solch philosophische Haltung im Augenblick des Verlustes, der von Schmerz und Trauer, Schock und Desorientierung gekennzeichnet ist, einzunehmen? Eva Dietsche hat mit Menschen gesprochen, die einen solchen Schmerz durchlebt und durchlitten haben. Ausgehend von diesen Gesprächen hat sie drei Lebensgeschichten aufgeschrieben und Gedichte zum Thema illustriert.

Wie gut kennt man seinen Sohn eigentlich? Das fragt sich eine Mutter, die ihren Sohn verloren hat. Tagebuchaufzeichnungen lassen sie ihren verschlossenen, nachdenklichen und lebenshungrigen Sohn rückblickend neu entdecken. Ein Mann, dessen Frau gestorben ist, erfährt, was es bedeutet, sich nach dem Tod des geliebten Menschen neu orientieren und finden zu müssen. Nach dem Tod seines Bruder erlebt der Zurückgebliebene bei der Totenwache eine Nähe mit dem Reich des Todes, das ihm die Grenzen der Alltagswahrnehmung vor Augen führt. Dabei entdeckt er auch, wie viel Licht in der Trauer sein kann.

„Im Verlorenen sich neu zu finden“, so hat Eva Dietsche die Sammlung von Geschichten, die auf vielen Gesprächen beruhen, genannt. Die Erzählungen machen deutlich, dass der Tod unabhängig vom Alter – „plötzlich und unerwartet“ wie es in vielen Todesanzeigen heißt – eintreten kann. Die schlichte und einfühlsame Sprache zeigt, dass Tod und Trauer zum Wesentlichen hinführen, zu Mitgefühl und Einfühlungsvermögen, zur zentralen Bedeutung des Gesprächs und der Gemeinschaft. Sie zeigen, dass, wenn auch in der Trauerpsychologie von Trauerprozess und Trauerphasen, Trauerverarbeitung und Trauerbewältigung gesprochen wird, doch jeder auf ganz eigene Art trauert. Gerade die Unterschiede, wie Trauer erlebt und wie ihr begegnet wird, machen Mut, sich auf die eigenen Gefühle der Trauer einzulassen.

Wer trauert, kann sich oft nicht mehr konzentrieren, kann seiner gewohnten Arbeit nicht mehr nachgehen, kann nicht mehr lesen, kann vielleicht nicht einmal mehr Freunde sehen. Gerade die Art des individuellen Umgangs mit der Trauer der anderen kann Kraft geben in einer Situation der eigenen Hilflosigkeit und Traurigkeit. Schon die wunderbaren Photographien, die jeweils ein Motto der Erzählungen illustrieren, haben etwas Tröstendes, indem sie auf die Schönheit dieser vergänglichen Welt verweisen. Die den Band beschließenden Gedichte nehmen den Lesern für Augenblicke die Erdenschwere.